von Paula Wunderlich und Dua Koyun
Bürgerbeteiligung ist ein wichtiges Thema für Menschen, die sich in ihrem unmittelbaren Umfeld engagieren wollen. Die Handhabung verschiedener Situationen und Projekte kann Unzufriedenheit hervorrufen, weswegen Bürger und Bürgerinnen ihre Stimmen nutzen wollen, um gewisse Änderungen zu schaffen. Viele Menschen wissen über Bürgerbeteiligungsverfahren Bescheid und versuchen mitzuwirken, andere interessieren sich eher wenig für solche Prozesse und manche haben noch nie davon gehört. Wie jedoch erleben Bürger und Bürgerinnen die Bürgerbeteiligung? Dies wird in dem folgenden Blogartikel näher untersucht.
Bürgerbeteiligungsverfahren können unterschiedlich von den verschiedenen Teilnehmern des Prozesses aufgefasst und wahrgenommen werden. Bürger und Bürgerinnen, welche die Meinungen vertreten, die letzten Endes umgesetzt wird, sind natürlich im Nachhinein zufriedener mit dem abgeschlossenen Prozess als Bürger und Bürgerinnen, welche andere Meinungen unterstützen. So kommt es während solcher Verfahren zu Konfliktpotentialen. Diese können unterschiedlich intensiv von den Betroffenen wahrgenommen werden. Dieser Konflikt kann die Qualität der Anregungen und Ideen verbessern und somit das Projekt qualitativ erhöhen. Es wird mehr Input auf beiden Seiten der Konfliktpartner geboten und somit können viel mehr Aspekte und Standpunkte betrachtet und berücksichtigt werden, um einen guten Kompromiss zwischen den Interessengruppen und der ausübenden Verwaltung zu erlangen.
Es gibt unterschiedliche Beispiele davon, wie Bürger und Bürgerinnen die Bürgerbeteiligungsprozesse in ihren Kommunen wahrgenommen haben.
Zum einen wurde auf Kap Verde ein soziologisches Forschungsprojekt durchgeführt, bei dem man sich den gesellschaftlichen Umgang mit dem Wandel auf den Inseln ansah. Die Anwohner und Anwohnerinnen sahen die geforderten Maßnahmen zum Naturschutz, als Einschnitt in ihre Lebensqualität. Sie empfanden die Maßnahmen als intransparent und ausgrenzend. Um ihrem Missmut Ausdruck zu verleihen, nahmen sie nicht an Veranstaltungen teil und gründeten Vereinigungen gegen die geplanten Maßnahmen. Dieses Beispiel spiegelt eine negative Wahrnehmung der Bürger und Bürgerinnen am Beteiligungsprozess wieder.
Allerdings gibt es auch positive Beispiele.[1]
Der Bürgerhaushalt in Glienicke Nordbahn ist eins davon. Dieser wird seit 2016 jährlich in der Gemeinde durchgeführt und hat eine relativ hohe Beteiligungsrate. Um festzustellen wie die Anwohner und Anwohnerinnen zu dieser Art des Beteiligungsprozesses stehen, hat man in den Jahren 2018 und 2019 Befragungen durchgeführt. Das Ergebnis dieser Befragung war positiv zu erfassen. Die Befragten gaben an, dass der durchgeführte Bürgerhaushalt die politische Mitarbeit fördern und die Lebensqualität in Glienicke verbessere. Außerdem konnte man festhalten, dass die Befragten das Gefühl hatten, dass der Beteiligungsprozess das Gemeinschaftsgefühl untereinander gestärkt hat. Sie bewerteten somit die Wirkung des Prozesses über die Jahre hinweg als sehr positiv.[2]
Zu weiteren positiv wahrgenommenen Ergebnissen führen laut Vetter Bürgerbeteiligungsprozesse mit Konfliktpotenzial. Prozesse mit Konfliktpotenzial finden im Vorfeld von politischen Prozessen statt. Ein Prozess dieser Art könne die Effektivität und Effizienz steigern, da es zur Konfliktlösung beitrage und biete Bürgerinnen und Bürgern die Chance, Ideen und Anregungen in Planungsprozesse einzubringen. Bei Bürgerbeteiligungsprozessen handele es sich um akute, nicht langfristige Betroffenheiten einzelner Personen oder Gruppen. Diese lassen sich laut Vetter in Form von Gewinnern und Verlierern darstellen. Projekte der Infrastruktur werden hierbei aufgegriffen.
Durch solche Prozesse werde die Qualität der Ergebnisse durch Ideen aus der Bürgerschaft verbessert und die Umsetzung von Ergebnissen werde beschleunigt, da mehr Druck auf die Verwaltung ausgeübt werde. Ein Dialog mit Konfliktpotenzial könne die Erfolgsaussichten erhöhen, da das politische Verständnis und die Offenheit gegenüber anderen Interessen entwickelt werde, Planungs- und Entscheidungssicherheit geschaffen werde und Konflikt Eskalationen vermieden werden. Außerdem werde Akzeptanz, Effektivität und Effizienz geschaffen und Legitimation und Demokratie gestärkt.
Bürgerbeteiligungsprozesse mit Konfliktpotenzial können aber auch Risiken hervorrufen. Zum einen könne es dazu kommen, dass Frustration und gegenseitiges Misstrauen auftrete. Die Konflikte können bis zum Bürgerentscheid verstärkt werden oder der Stillstand von Entscheidungen könne eintreten. Zudem könne sich eine negative Grundhaltung gegenüber zukünftigen Bürgerbeteiligungsverfahren entwickeln.
Neue Formen von Bürgerbeteiligung können genutzt werden, um die repräsentativen Demokratien zu unterstützen. Diese sollen das Misstrauen der Bürgerschaft beseitigen, indem mehr Transparenz geschaffen werde und die Beteiligungsprozesse professionell geplant und moderiert werden. Dialogprozesse mit verschiedenen Interessen und Meinungen sollen laut Vetter vor Bürgerentscheiden geführt werden, um Meinungen zu festigen.[3]
Generell lässt sich nach der Literaturrecherche zu diesem Thema festhalten, dass es eher wenig direkte Forschung gibt. Das Thema bildet eine Forschungslücke, mit der man sich in der Zukunft beschäftigen muss. Um herauszufinden wie Bürgerinnen und Bürger Beteiligungsprozesse beurteilen und wahrnehmen, können mehrere Forschungsmethoden genutzt werden. Zum einen könnte man eine Befragung mit einem standardisierten Fragebogen durchführen, aber auch eine qualitative Studie mit Interviews könnte durchgeführt werden.
[1] Vgl. Adeli, Jelena (2018). Mitteilen – Teil sein – Wahrgenommen werden. S. 2
[2] Vgl. Studie Glienicke Nordbahn
[3] Vgl. Vetter, A (2015). Wirkungsmechanismen von dialog-orientierten Beteiligungsprozessen mit Konfliktpotenzial
Quellen:
Vetter, A (2015). Wirkungsmechanismen von dialog-orientierten Beteiligungsprozessen mit
Konfliktpotenzial. eNewsletter Netzwerk Bürgerbeteiligung 02/2015 vom 09.07.2015. Stiftung Mitarbeit (Hrg.). Online unter: https://www.netzwerk-buergerbeteiligung.de/fileadmin/Inhalte/PDF-Dokumente/newsletter_beitraege/nbb_beitrag_vetter_150709.pdf (Zugriff: 25.4.22)
Adeli, Jelena (2018). Mitteilen – Teil sein – Wahrgenommen werden. Zugehörigkeit als Schlüssel zur Beteiligung. eNewsletter Netzwerk Bürgerbeteiligung 02/2017 vom 18.07.2017. Stiftung Mitarbeit (Hrg.). Online unter: https://www.netzwerk-buergerbeteiligung.de/fileadmin/Inhalte/PDF-Dokumente/newsletter_beitraege/2_2017/nbb_beitrag_adeli_170718.pdf (Zugriff: 2.4.2022).
Studie Glienicke Nordbahn
Ich finde der Blogartikel ist sehr gelungen. Beim Lesen hat sich mir allerdings eine Frage gestellt: Sind auch die verschiedenen Formen der Beteiligung entscheidend für die positive Wahrnehmung der Bürger*innen? Wird beispielsweise ein Bürgerbudget positiver wahrgenommen, als ein Bürgerhaushalt, weil dort der Entscheidungsspielraum größer ist?
Ich finde es interessant, dass der Bürgerhaushalt in Glienicke Nordbahn seit Jahren so erfolgreich läuft und eine hohe Beteiligungsrate hat, während die Zahl an Bürgerhaushalten in den letzten Jahren in Deutschland insgesamt wieder zurückgeht, da viele Kommunen den Bürgerhaushalt nach einmaliger Erprobung aufgrund enttäuschender Ergebnisse wieder abschaffen.
Es wäre interessant zu untersuchen, warum das der Fall ist und was Glienicke eventuell anders macht als andere Kommunen, also was das „Erfolgsrezept“ von Glienicke ist. Vielleicht könnte man eine Art Idealmodell eines erfolgreichen Bürgerhaushaltes entwickeln und das Konzept auf andere Kommunen übertragen und, um weitere erfolgreiche Bürgerhaushalte in Deutschland zu schaffen.
In eurem Blog erwähnt ihr ja, dass laut Vetter Bürgerbeteiligungsprozesse mit Konfliktpotenzial zu positiv wahrgenommenen Ergebnissen führen. Ich würde gerne anmerken, dass dies nicht immer so ist. Beteiligungsprozesse mit Konfliktpotenzial bringen auch gewisse Risiken mit sich. Beispielsweise könnte es passieren, dass kein Konsens gefunden wird und sich am Ende alle als Verlierer sehen, sodass sich im Endeffekt eine negative Grundhaltung gegenüber zukünftiger Beteiligung entwickelt. Damit es nicht dazu kommt, sondern die Ergebnisse wirklich als positiv wahrgenommen werden, ist es vor allem wichtig, dass die Dialoge zu einem Zeitpunkt geführt werden, an dem sich die Positionen der Akteure noch nicht gefestigt haben. Es müssen alle Handlungsalternativen offen sein als gute Basis für einen qualitativen Dialog und zufriedenstellende Ergebnisse. (Vetter 2015)
Positiv hervorheben würde ich gerne noch, dass ihr am Ende einen Vorschlag für weitere Forschung in dem Bereich gemacht habt.
Der Blogbeitrag berichtet darüber, wie Bürgerinnen und Bürger die Bürgerbeteiligung erleben.
Ich stimme zu, dass viele Bürgerbeteiligungsverfahren relativ unbekannt sind, da ich selbst außerhalb unserer Veranstaltung von vielen Instrumenten noch nie zuvor etwas gehört habe. Ich denke, um sich als Bürger einzubringen, muss man sich engagieren und aktiv nach aktuellen Beteiligungsmöglichkeiten recherchieren.
Ergänzend zu dem im Blogbeitrag genannten denke ich, dass die Zufriedenheit von Teilnehmenden mit ihrem Gefühl von Selbstwirksamkeit zusammenhängen kann. Bei Beteiligungsverfahren, in denen Bürgerinnen und Bürger eher beratend tätig sind und Empfehlungen als Grundlage für Entscheidungen zwar angehört werden, jedoch unverbindlich sind, wie es etwa bei Bürgerräten der Fall ist, könnte schnell eine niedrigere Zufriedenheit über die Bürgerbeteiligung vorliegen, da Teilnehmende das Gefühl haben, dass ihre Ergebnisse letztendlich nicht berücksichtigt werden. Prozesse könnten so schnell als intransparent und nicht zielführend wahrgenommen werden. Anders ist es bei Prozessen, die durch Verbindlichkeit geprägt sind: Der Bürgerhaushalt in Glienicke Nordbahn etwa wird von Teilnehmenden als sehr positiv eingeschätzt und es wird das Gefühl vermittelt, tatsächlich etwas bewirken zu können.
Hierbei handelt es sich jedoch nur um Spekulationen meinerseits und dieser Aspekt könnte in Zukunft genauer empirisch, etwa durch Befragungen oder Interviews mit Betroffenen, erforscht werden.
Der Blogartikel stellt unterschiedliche Wahrnehmungs- und Betrachtungsweisen von Bürgerbeteiligungsprozessen sehr verständlich dar. Die Verdeutlichung anhand der Beispiele Glienicke Nordbahn vs. Kap Verde finde ich besonders gut. Es wäre sicher interessant, weitere direkte Forschung zu betreiben, um die entdeckte Forschungslücke zu füllen.