von Tim Maschke und Kati Frickmann
Was sind dialog-basierte Beteiligungen?
Bei der demokratischen Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern lassen sich verschiedene Formen abgrenzen: Neben der direkt-demokratischen sowie der repräsentativen Bürgerbeteiligung gibt es die dialogische Bürgerbeteiligung.
Diese kann in verschiedenen Formaten stattfinden. Bürgerinnen und Bürgern wird hier die Möglichkeit zur persönlichen Kommunikation, zur Konsultation und zur Mitwirkung gegeben. Die Prozesse sind dabei konsensorientiert und die Bürgerinnen und Bürger handeln in einer Art Beraterrolle, wobei die Ergebnisse jedoch unverbindlich sind.1 Durch die dialog-basierte Beteiligung sollen die Menschen stärker bei der Vorbereitung von politischen Entscheidungen einbezogen werden. Weiterhin wird ihnen die Möglichkeit gegeben, Projekte intensiver mitzugestalten sowie ihre Interessen einzubringen.2 Die Stärke des Dialogs ist bei dieser Beteiligungsform, dass Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben wird, sich weiterzuentwickeln, neue Perspektiven kennenzulernen und dadurch schließlich ihren Blick zu weiten. So kommt es oftmals vor, dass sich Meinungen und Bewertungen während des Prozesses verändern, da häufig dazu gelernt wird3.
Wie sind dialogbasierte Beteiligungsprozesse organisiert?
Wie ihr Name schon andeutet, liegt der Hauptfokus der dialogischen Beteiligung in der Kommunikation unter allen Teilnehmenden. Dieser Prozess wird besonders von Diskussionen, Redeveranstaltungen, der Meinungsbildung sowie dem öffentlichen Diskurs geprägt.4 Demnach steht hier der Austausch von individuellen Argumenten, Wünschen und Interessen im Mittelpunkt5. Dabei ist es besonders wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger eine gewisse Bereitschaft zeigen, sich auch von den Argumenten Anderer überzeugen zu lassen6. Alle Beteiligten verfolgen das Ziel einer gemeinschaftlichen Willensbildung und im Idealfall gibt es am Ende eine „konsensuale Entscheidungsfindung“7.
In den jeweils stattfindenden Diskussionsrunden werden alternative Positionen miteinander verglichen und abgewogen. Dabei werden Meinungsdifferenzen identifiziert und es wird nach neuen, überzeugenden Ideen, die nach Möglichkeit alle vorhandenen Positionen vereinen, gesucht.8 Bei den Diskussionsrunden handelt es sich um ein eher komplexes Verfahren, bei dem mehrere Runden durchlaufen werden sollten. Damit diese Runden reibungslos ablaufen können, benötigt man Moderatorinnen und Moderatoren, die für Ordnung sorgen können sowie Expertinnen und Experten aus der Praxis und der Wissenschaft, die mit ihrer Expertise einen großen Beitrag zum Verfahren leisten können9.
Generell gibt es zwei Voraussetzungen, die im Bereich der dialog-orientierten Beteiligung erfüllt sein sollten: Einerseits gehört dazu, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestrebt sind, das Verfahren mit einem Ergebnis beziehungsweise einer Lösung, die die Folge einer gemeinschaftlichen Willensbildung darstellt, abzuschließen. Hierbei muss das Ergebnis oder die Lösung jedoch nicht zwingend konsensual sein. Bevor man aber zu dem gemeinsamen Ergebnis kommt, müssen noch zwei weitere Schritte bedacht werden. Dazu gehört der Prozess des Austausches sowie der des individuellen und kollektiven Lernens10.
Laut Leggewie und Bieber (2001) ist das Verfahren der dialog-orientieren Beteiligung auf die folgenden drei Bedingungen angewiesen: Die erste Bedingung ist das Sprechen, das das Vortragen von Standpunkten und Argumenten beinhaltet (Expression). Darüber hinaus ist die zweite Bedingung das Zuhören, damit andere Standpunkte und Argumente wirklich zur Kenntnis genommen werden (Reziprozität). Schließlich sollte als letzter Schritt auf diese geantwortet werden (Responsivität). Insgesamt liegt eine ideale Deliberation vor, „wenn die Standpunkte Dritter eingenommen werden (und damit von Empathie gesprochen werden kann) oder die Standpunkte Dritter gar übernommen werden (Persuasion)[…]“11.
Ein weiterer wichtiger Bestandteil eines dialog-orientierten Beteiligungsverfahren sind die „transparenten Informationsflüsse“ der informativen Verfahren. In Verbindung mit dem kommunikativen Austausch, den Argumenten, und gegebenenfalls auch der Abstimmung, ergibt sich daraus eine erhöhte Machtposition für die Bürgerinnen und Bürger.12 Zum Abschluss lässt sich sagen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die Mitwirkung an einem solchen Verfahren die Möglichkeit haben, sich inhaltlich weiterzubilden und ihr Fachwissen zu erweitern13.
Welche Methoden werden in der Umsetzung genutzt?
Bei der Umsetzung von dialogischen Beteiligungsverfahren werden verschiedenste Methoden, die von Bürgerräten und Planungszellen über Bürgerhaushalte und Bürgerpanel bis hin zur Zukunftswerkstatt reichen, angewendet14. Zwei von ihnen sollen im Folgenden genauer beschrieben werden: Der Bürgerrat und der Bürgerhaushalt.
1. Der Bürgerrat
Beim Bürgerrat diskutieren mehrere zufällig ausgewählte Teilnehmende, um Problemlösungen zu erarbeiten. Zum Schluss sollen die Vorschläge gebündelt werden und mithilfe eines Gutachtens als Empfehlung an die Entscheidungsträger gegeben werden15. Das Ziel des Bürgerrats ist es, öffentliche Diskussionen zu beeinflussen und durch die Konsultation Entscheidungsträger zu beraten. Typischerweise werden hierbei lokale Probleme und Planungsaufgaben diskutiert. Bei den Auftraggebern handelt es sich häufig um kommunale Träger aus Politik und Verwaltung und Bürgerräte werden häufig in den USA und auch in Deutschland umgesetzt.16
2. Der Bürgerhaushalt
Beim Bürgerhaushalt werden die Bürgerinnen und Bürger in die Planung und Ausführung des Haushalts einbezogen und geben Empfehlungen über dessen Verwendung ab. Dieser hat ebenso die Funktion, Entscheidungsträger zu beraten. Idealerweise besteht der Prozess aus drei Phasen: 1. Information: Die Teilnehmenden werden umfassend über den Gesamthaushalt informiert. 2. Konsultation: Die Teilnehmenden äußern Anregungen, diskutieren und setzen Prioritäten. 3. Rechenschaft: Vertreterinnen und Vertreter aus der Politik und der Verwaltung legen begründet offen, welche Vorschläge übernommen wurden und welche nicht.17 Bürgerräte werden weltweit, vorwiegend aber in Südamerika und in Europa umgesetzt18.
1 Vgl. Initiative Allianz für Beteiligung e.V. ( Hrgs.) (o.D.), S. 11.
2 Vgl. Vetter (2015), S. 1.
3 Vgl. Initiative Allianz für Beteiligung e.V. ( Hrgs.) (o.D.), S. 10.
4 Vgl. Jascha (2018).
5 Vgl. Nanz & Fritsche (2012), S. 11 u. S. 30.
6 Vgl. Nanz & Fritsche (2012), S. 31.
7 Vgl. Nanz & Fritsche (2012), S. 11.
8 Vgl. Nanz & Fritsche (2012), S. 30.
9 Vgl. Nanz & Fritsche (2012), S. 11.
10 Vgl. Nanz & Fritsche (2012), S. 31.
11 Nanz & Fritsche (2012), S. 30.
12 Vgl. Jascha (2018), rechte Spalte, Zeile 2.
13 Vgl. Nanz & Fritsche (2012), S. 31.
14 Vgl. Nanz & Fritsche (2012), S. 84-87.
15 Vgl. Nanz & Fritsche (2012), S. 51
16 Vgl. Nanz & Fritsche (2012), S. 84 f.
17 Vgl. Nanz & Fritsche (2012), S. 45 f.
18 Vgl. Nanz & Fritsche (2012), S. 84 f.
Quellen
Classen, W (2013). Wo können Beteiligungsprojekte in der Sozialen Stadt auf der Stufenleiter der Partizipation angesiedelt werden? eNewsletter Netzwerk Bürgerbeteiligung 04/2013 vom 13.12.2013. Online unter: https://www.netzwerk-buergerbeteiligung.de/fileadmin/Inhalte/PDF-Dokumente/newsletter_beitraege/nbb_claussen_131213.pdf. (Zugriff: 14.06.22).
Initiative Allianz für Beteiligung e.V. & Mehr Demokratie e.V. ( Hrgs.) Handbuch Mitmachen Entscheiden. Bürgerentscheide im Dialog gestalten. Online unter: https://www.netzwerk-buergerbeteiligung.de/fileadmin/Inhalte/PDF-Dokumente/Handbuch_Mitmachen___Entscheiden.pdf. (Zugriff: 14.06.22).
Leggewie, C. & Bieber, C. (2001): Interaktive Demokratie. Politische Online-Kommunikation und digitale Politikprozesse. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. B41–42/2001. S. 37–45.
Nanz, Patrizia & Fritsche, Miriam (2012). Handbuch Bürgerbeteiligung. Verfahren und Akteure, Chancen und Grenzen. Schriftenreihe Band 1200. Bundeszentrale für Politische Bildung. Bonn. Online unter: https://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/76038/handbuch-buergerbeteiligung. (Zugriff: 14.06.22).
Rohr, Jascha (2018): vom Unterschied in der Tiefe der Beteiligung, Informative, deliberative und kollaborative Verfahren in der Partizipation, Institut für partizipatives Gestalten (Hrg.). Online unter: https://www.partizipativ-gestalten.de/informative-deliberative-und-kollaborative-verfahren/. (Zugriff: 10.06.22).
Vetter, A (2015). Wirkungsmechanismen von dialog-orientierten Beteiligungsprozessen mit Konfliktpotenzial. eNewsletter Netzwerk Bürgerbeteiligung 02/2015 vom 09.07.2015. Stiftung Mitarbeit (Hrg.). Online unter: https://www.netzwerk-buergerbeteiligung.de/fileadmin/Inhalte/PDF-Dokumente/newsletter_beitraege/nbb_beitrag_vetter_150709.pdf. (Zugriff: 14.06.22).
Die dialog-basierte Bürgerbeteiligungen finde ich sehr gut und verständlich beschrieben. Der Blogbeitrag gibt einem einen positiven Eindruck der beiden vorgestellten Instrumente der Bürgerbeteiligung. Man könnte hieran anschließen und untersuchen, wie man die Bürgerbeteiligung oder den Einfluss der Bürger bei diesen Instrumente erhöhen kann, um den Erfolg der Bürgerbeteiligungsprozesse zu steigern, da ich den Grundgedanke der Instrumente gut finde und es schade ist, dass die Bevölkerung diese nicht immer gut annimmt oder als positiv empfindet.
Der Blogartikel ist sehr gut strukturiert und informativ. Der Aufbau von dialogbasierten Beteiligungsprozessen wird nachvollziehbar dargestellt. Schade ist es, dass die Politik die Ergebnisse, die bei solchen Beteiligungsprozessen rauskommen, nicht immer berücksichtigt und umsetzt, obwohl die Prozesse wirklich aufwendig gestaltet werden.