Das Thema „Wissenschaft und Technik“ (Workshop am 10. Dezember 2013) geht mich von allen Themen der Serie am meisten an. Beim Bloggen bin ich immer versucht, einen ganzen Schritt zurückzutreten: dann kann ich die Brisanz der spannenden Thesen des Workshops vielleicht noch besser erkennen. Also los.
In John Gardners Roman „The Resurrection“ (1966) wird eine merkwürdige Szene beschrieben: eine Gruppe von Blinden spielt Baseball mithilfe eines Audio-Balls, der seine Position durch Geräusche bekannt gibt, solange er sich noch bewegt, und hüfthohen Seilen, die das Rennen von Base zu Base erleichtern. Als der Ball plötzlich verstummt, suchen die Blinden nach ihm: „Slowly, like children in a trance or like people moving underwater […] soundlessly, mechanically, as if without hope.„[1]
An diese Szene wurde ich heute beim Nachdenken über diesen Artikel erinnert: die Blinden kommen mir vor wie Forscher, die zwar ihr Spiel spielen, aber durch die Art ihrer Bresthaftigkeit besonderer Hilfsmittel bedürfen – wenn diese ausfallen, werden die Spieler auf ihre begrenzten Sinne zurückgeworfen. Die Sinn-Suche, die philosophisch zumindest eine der Grundlagen wissenschaftlicher Tätigkeit ist, wird in diesem Bild zu einer Suche mit künstlichen Sinnen. Das ist aber auch der Weg der Wissenschaft seit der Antike: um der Wahrheit willen hinter die sinnlich erfahrbare Welt schauen. Das Bild transportiert gleichzeitig das Heldenhafte und das Vergebliche der Wissenschaft.
Wenn ich mit Studierenden (mittlerweile nicht nur aus Anlass der Abschlussarbeit, sondern während des gesamten Studiums) über Wissenschaft & Methode spreche, dann hebe ich diesen Doppelcharakter der wissenschaftlichen Anstrengung gerne hervor. Wissenschaft ist nie ein automatischer Vorgang (auch wenn viele einzelne Handgriffe und Abläufe im Laufe der Zeit Routine werden), sondern immer auch ein Abenteuer, dem aber etwas vom Kampf gegen Windmühlen anhaftet.
Warum ich den Studierenden das glaube sagen zu müssen? Das hat mit unserer Praxisausrichtung zu tun, die von vielen als prinzipiell anti-wissenschaftlich verstanden wird. Praxis, so denken sie (und sagen es auch) ist das wirkliche Leben, Wissenschaft ist dagegen künstlich, irrelevant, ein Luxus. Die Praktiker verachten die Wissenschaftler — es ist dieselbe, mitleidig-verständnislose Verachtung, die uns in Spitzweg’s „Der Arme Poet“ entgegentritt, behaupte ich. Grundlagenforschung ist ein kreatives, künstlerisches Abenteuer.
Aber was soll denn das jetzt, werden Sie sagen: wir betreiben doch gar keine Grundlagenforschung! Wir sind doch in den angewandten Wissenschaften zuhause! Stimmt ja auch — wir bieten an: Verwaltungswissenschaften, Wirtschaftswissenschaften, Rechtswissenschaften, Sicherheit, Touristik, Gründungslehre, Management und Strategie, Personalwesen usw. usf. Nach außen und nach innen identifizieren wir uns als eine Hochschule der angewandten Wissenschaften: einer Kollegin von der FU (Geschichtswissenschaften) schicke ich einen Artikel von Drucker aus dem Harvard Business Review. Der Konferenzbeitrag, den ich am letzten Wochenende geschrieben habe, bezieht sich auf ein Forschungssemester, in dem ich einen Onlinekursus („Research Methods„) entwickeln werde, der dann ganz praktisch im neuen Masters eingesetzt werden wird. Das ganze Semester hindurch geben sich bei mir ehemalige Studierende die Klinke in die Hand, die so nett sind, in einer Lehrveranstaltung aus der Praxis zu erzählen. — Ähnliche Aspekte „forschenden Lehrens“ könnte ich von vielen Kollegen berichten. Forschen ja, aber verfolgen, wie sich wissenschaftliches Denken und Arbeiten beim Lösen realer Probleme bewährt, das macht wirklich Laune! Wissenstransfer auf dem traditionellen Wege der Publikation: gerne doch! Aber ebenso gerne, wenn nicht sogar lieber, bringe ich die Praxis in meine Lehrveranstaltung und arbeite mit Klienten, die hier und jetzt Probleme haben, an denen sich meine Studenten die Zähne wetzen können. Dass dabei, wenn (worauf ich mich mittlerweile fast verlassen kann) gute Arbeit geleistet wird, auch Wissenschaft quasi abfällt (ohne dadurch Abfall zu sein), ist nützlich und gut, aber kein Selbstzweck.
Sie merken schon, dass ich für dieses Thema „angewandte Wissenschaft“ als Synonym für „Wissenschaft UND Praxis“ glühe. Damit bin ich glücklicherweise an der HWR in ausgezeichneter, vielkopfiger Gesellschaft! Auf der Innenseite der Hochschule herrscht Stolz, vielleicht sogar eine gewisse Überheblichkeit, weil wir so viel „bewirken“ — wer was macht, fühlt sich mächtig. Diese Haltung ist gepaart mit einem Minderwertigkeitsempfinden: wir wissen, dass Manager keine hohe Achtung genießen, jedenfalls nicht unter der intellektuellen Elite des Landes. Erst gestern schickte mir ein Kollege einen populären YouTube Sketch mit dem Titel: „The Expert, A Hilarious Sketch About the Pain of Being the Only Engineer in a Business Meeting„. Der Sketch ist wirklich witzig, wenn man nur von außen auf die Wirtschaft schaut. Wer aber (wie ich) einen wichtigen, umfangreichen Teil seines Lebens in solchen Meetings verbracht hat, dem bleibt das Lachen im Halse stecken: gezeigt wird, wie nur der Experte, ein Ingenieur (mit dem Siegel der Wissenschaft gesegnet) klar sieht und logisch argumentiert, während eine Meute von vier Managern sich wie blindwütende Berserker gebärden. Am Ende muss er klein beigeben: die Vernunft beugt sich der hirnlosen Macht. Sicherlich gibt es eine ganz andere Lesart dieses Video-Clips, eine harmlose: ich bin gespannt, was Sie sehen oder zu sehen glauben! Meine Lesart: wer mit Management und BWL zu tun hat, der hat zwar Kohle, aber ganz helle kann er nicht sein. (War BWL früher immer schon ein Fach für die, die nichts besseres zu studieren wussten?) Manager sind eher „smart“ als klug, eher gerissen als gebildet. Soweit das Vorurteil gegen die Praxis und ihre Vertreter.
Dahinter steht sicher auch die Erfahrung, die man an in den letzten Jahrzehnten an den Universitäten gemacht hat, und die den „Unternehmensberatern“ angelastet wird (die wir u.a. ausbilden). Philosoph und Schriftsteller Peter Bieri hat jedenfalls offenbar die Lust verloren:
„Wenn ich mir ansehe, wer im Fernsehen oder in den Zeitungen die Helden sind, so sehe ich nur Fassaden ohne etwas dahinter. Das Gleiche läßt sich an den Universitäten beobachten, die zur Zeit durch die Perspektive der Unternehmensberatung kaputtgemacht werden. Wir bekommen ständig Fragebögen: Wie viele Gastprofessuren haben Sie wahrgenommen? Wie viele Drittmittel haben Sie eingeworben? Eine Diktatur der Geschäftigkeit. All diese Dinge haben mit der authentischen Motivation eines Wissenschaftlers gar nichts zu tun.“ [2]
Von den Vorurteilen gegen die andere Seite, die Grundlagenforschung als exponierteste Vertreterin der Wissenschaften, habe ich oben bereits gesprochen: Grundlagen sind verblasen, nicht in der Wirklichkeit verankert, bringen nichts ein, langweilen usw. Unsere Studierenden kriegen beides mit, das ist ganz natürlich. Aber im täglichen Forschungs- und Lehrbetrieb ringe ich viel mehr damit, die Verachtung gegen und die Unterschätzung der Wissenschaft zu bekämpfen. Ich predige: die Klarheit wissenschaftlichen Ausdrucks, die Vorteile der Belegbarkeit, die Wunder der kritischen Betrachtung. Ich zeige Beispiele: am liebsten lebendige, in Form von sprachmächtigen, begeisterten, erfolgreichen Absolventen aus der Wirtschaft.
Vielleicht ist es nur meine eigene Erfahrung? Ich empfinde den Gegensatz von Wissenschaft und Praxis im Alltag stärker als den Gegensatz von Tradition und Innovation. Ersterer ist ein ärgerlicher Scheingegensatz, der u.a. den Wissenschaftlern den Weg in die Wirklichkeit verstellt, und die Praktiker methodisch lähmt. Mein Gesamteindruck von der HWR: nach außen sind wir wissenschaftlich stärker als wir es innen wahrnehmen, sind aber dennoch weit von dem entfernt, was wir erreichen könnten. Hingegen wird unsere Praxisnähe außen zwar wahrgenommen, aber nicht hinreichend geschätzt möglicherweise auch von uns selbst nicht.
So, Schluss mit Bloggen: das Wochenende lockt, der Frühling ist da! Der Blick schweift in die Ferne…gute Voraussetzungen, um nächste Woche zu „Internationalität und Regionalität“ zu schreiben.
Frage an Sie: wo ist die Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis für Sie an der Hochschule (oder in der Gesellschaft) spürbar? Teilen Sie Ihren (Un)Mut!
Marcus Birkenkrahe bloggt in den sechs Wochen vor dem Workshop “Innen und Außen” zum Leitbild-Entwicklungsprozess. Er bloggt außerdem mit über 70 anderen Autoren auf elerner.de, dem E-Learning Blog der HWR Berlin.
[1] Übers.: „Langsam, wie Kinder in oder wie Leute, die sich unter Wasser bewegen, lautlos, mechanisch, als hätten sie keine Hoffnung.“
[2] Übers.: „Der Experte, ein urkomischer Sketch über den Schmerz, der einzige Ingenieur in einem Business Meeting zu sein“
[3] Zitiert nach David Salomon: „Eingreifende Wissenschaft, Junge Welt, 2. Oktober 2009.“
Megalomanische Sehnsucht nach Anerkennung? Dazu fällt mir ein: In einer überaus geistreichen Analyse sprach Peer Pasternack vom Hochschulforschungsinstitut Wittenberg im Kontext von Rankings, Marketing, Selbstverständnissen, Mission Statements, Leitbildern im Hochschulbereich einmal davon, dass es in Deutschland im Wesentlichen drei Sorten von Hochschulen gäbe: Jene von internationaler Ausstrahlung (d.h. Weltruhm), dann jene von interplanetarer Ausstrahlung (d.h. mindestens bis zum Jupiter) und schließlich die intergalaktisch ausstrahlenden Hochschulen (d.h. mit potenziell urknallauslösendem Impact). Somit mag das Verlangen nach Weltruhm doch glatt ein Ausdruck von Bescheidenheit sein. „Die bescheidene Hochschule“ – das wär doch mal was. Bescheiden, aber reell. Nach dem Streben, was erreichbar ist. Einen aktuellen Link zu dem genannten Institut habe ich leider nicht – sie scheinen schon wieder umgezogen zu sein…
Sehr spannend! Ich finde das Motto „Die bescheidene Hochschule“ gar nicht so schlecht…das SPAM Institut ist wahrscheinlich ein An-Institut der „Unseen University“ aus der Discworld Serie von Terry Pratchett…
… auch das noch! Spam! Immerhin sind wir so attraktiv, dass wir ins Visier eines Instituts für Spam-Platzierung gelangt sind… ein weiterer Schritt zum Weltruhm.
Lieber Boris Schmidt, wegen Ihres Kommentars lasse ich den vorangegangenen Spam-Kommentar von „Oakley Frogskins“ jetzt stehen…in der Tat kommt eine Menge Spam durch, vor allem in Form von haltlosen Komplimenten…vielleicht ist Spam ja gar nicht so gefährlich oder schädlich, wie man immer hört, sondern einfach Ausdruck des zwischenmenschlichen Bedürfnisses, einander Achtung zollen und Liebe zeigen zu wollen? Ebenso wie das Verlangen nach Weltruhm, eine ins Megalomanische gewendete Sehnsucht nach Anerkennung sein mag. Wertschätzung also – fangen wir doch gleich damit heute in Schöneberg und Lichtenberg an! Danke für den Kommentar…und haben Sie einen Link zu diesem Spam Research Institut?
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Lieber Marcus,
jetzt habe ich doch tatsächlich mein Glas Wein vergessen und Deinen Beitrag bis zum letzten Punkt verschlungen. Und es war ein guter Wein – der da warm wurde auf der sonnigen Terrasse. Nun denn, ich habe kalt nachgeschenkt und was mir dann noch einfiel, war ein Aspekt zur Motivation von uns Forschenden. Ich mache ja derzeit einige Experimente mit Sprache und dem, was Sie über Denkmodelle von Menschen aussagt. Getreu der Idee des „Tribal Leadership“, das Sprache als Signal dafür steht, wessen Geistes Kind man ist, was einen motiviert und vorantriebt und mit anderen arbeiten lässt (oder auch nicht). Ich denke, auch wir Forscher (aller Geschlechter) lassen uns in solche „Tribes“ einteilen. In diejenigen, welche aus purer Neugier forschen, in solche, welche ein Stück weit die Welt verbessern wollen, und in andere, die es aus niederen Motiven tun (welche sie hinter allerlei Wortreichem verbergen). Letzte sollte man jedoch nicht verdammen. Schließlich sollten man zugeben: wer mit Forschung so nahe ans Geld kommt, für das in unserer Disziplin „die Praxis“ steht, der ist natürlich verführbar. Verführbar durch das scheinbar Wichtige, durch Moden und durch den schnellen Effekt. Da mag es ein Trost sein, dass „Tribal Leadership“ fordert, alle Stufen (der Einstellung zum Leben) zu durchschreiten. Vereinfacht gesagt: man muss selbst ein Egoist gewesen sein, um die Stufe des Heroen nicht nur zu erklimmen, sondern auch nachhaltig gestalten zu können.
Ich hoffe, Du warst auch mal einer – ein Egoist meine ich.
Damit Du ganz lange der Held bleibst – nicht nur für mich!
Hmm. Zwischen dir und deinem wohlverdienten Glas zu stehen, das ist schon eine gewisse Bürde…gut, dass noch nicht aller Flasche Abend war, als du den Weg dieses Blogs gekreuzt hast & dass der Text dich inspirieren konnte! — Das ist eine interessante Typologie: kommt mir in der Tat vertraut vor (von innen meine ich); auf der Neugierstufe stand ich wohl als Kind, später dann (jahrzehntelang) auf der Idealistenstufe. Mittlerweile (die 50 habe ich erreicht, puuh) sind eine Menge „niedere Motive“ hinzugekommen. Wobei ich die Praxis nicht mit dem Geld gleichsetzen würde – NGOs oder der öffentliche Dienst gehören für mich auch dazu: wenn an der HWR Mitarbeiter der Verwaltung sich als Klienten im Rahmen eines Kurses zur Verfügung stellen, dann sind sie Praktiker. Sie auszugrenzen bestätigt die Vorurteile, die ich erwähnt habe (aber nicht teile). Die Wahrheit ist paradoxerweise für mich schillernd und grau zugleich: es gibt beliebig viele Typen von Wissenschaftlern und beliebig viele Typen von Praktikern. Was deine schöne Schlussfolgerung anbetrifft: da stimme ich zu: wer gestalten will, der darf nicht nur im Licht, sondern muss auch im Schatten gestanden haben. Ich würde mich eher als „Sentimentalisten“ bezeichnen: daher völlig ungeeignet, die Führung zu übernehmen. Ich habe ein Bein im Licht, das andere im Schatten, und eine Träne der Rührung im Auge angesichts der Schönheit der Schöpfung. Und als Beweis hier der Link zu „Danny Boy„, jenem gemütvollen Lied, von dem Pop-Autor Christian Kracht seinen Romantitel geborgt hat: „Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten“. Seufz und Prosit!
Sehr interessanter Vergleich mit den Blinden und den Seilen. Dabei frage ich mich natürlich woher man weiß, ob die Seile richtig gespannt wurden oder ob sie einen auf den Holzweg führen. (Stoff für den Diskussionsteil)
Grundsätzlich ist schwierig mit wissenschaftlichen Methoden Vorgänge der Praxis bzw Realität abzubilden. In der Praxis wird nach Sinnhaftigkeit entschieden und ist oft komplexer als die wissenschaftlich mikroskopische Betrachtung. Gleichzeitig muss man sich auf einen „Standard“ einigen um miteinander „reden“ zu können.
Ich stehe oft vor dem Problem, dass ich nicht weiß ab welchem Punkt ich etwas als wissenschaftlich belegt betrachten kann. Grundsätzlich bin ich da eher der Meinung, dass allein der temporale Unterschied eine spätere Reproduzierbarkeit nur bedingt sinnvoll erscheinen lässt. Da halte ich mich dann gerne an quantitativen Daten fest, wie viele andere auch. Schnell eine Online-Umfrage erstellt und ausgewertet. Et voilà wissenschaftliche Erhebung. Dabei sind meiner Meinung nach qualitative „Daten“ viel aussagekräftiger und vor allem spannender.
In dem Gleichnis der Blinden Baseballspieler steckt eine ganze Menge Symbolik… und interessanterweise auch Wahrheit: wie man hinter dem Link im Text sehen kann, beruhte Gardners Beispiel auf Beobachtungen in seiner Heimatstadt Batavia & zeigen, dass er ein literarischer Vorkämpfer von Diversity war…ohne die wirklichen Zahlen zu kennen (ob wohl jemand sich dafür interessiert?) denke ich, dass mehr wissenschaftliche Untersuchungen „auf dem Holzweg“ sind, als man gemeinhin vermutet: das kann, wenn man sich ins Ungewisse begibt, vielleicht auch gar nicht anders sein. Aber die von Ihnen und auch von HE Müller benannte Irrelevanz vieler wissenschaftlicher Ergebnisse in die Praxis ist vielleicht auch selbst gemacht? — Ihr zweiter Punkt ist sehr interessant: die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen, die nicht in einer weitgehend kontrollierten experimentellen Umgebung erhoben wurden, ist in der Tat eine Einschränkung der Validität. Das ist aber in vielen für Unternehmen bedeutenden Wissenschaften u. Fragestellungen der Fall. Eine aus der Hüfte geschossene online Umfrage ist da wenig sinnvoll — ich selbst bin auch ein Freund von qualitativen Untersuchungen: besonders, wenn Unternehmenskultur eine Rolle spielt. Ich bin aber sicher, dass ein/e Kenner/in quantitativer Methoden ein fundiertes Gegenargument hätte! Viele Wissenschaftler finden die Methoden, indem sie sich gut auskennen, besser als alle anderen… ich bin da keine Ausnahme!
Management as a Practice
Lieber Marcus,
beim Lesen Deines Beitrages muss ich gleich an Henry Mintzberg denken, für den Management Praxis ist, keine Wissenschaft, diese aber nutzt. Der Videoclip von ihm dazu ist kurz und unterhaltsam: http://tinyurl.com/n2u8rw2
Auffällig ist hier, anders als bei den Ingenieurwissenschaften und in der Medizin, auch die Lücke zwischen Wissenschaft und Praxis: Die bekannten internationalen akademischen Fachzeitschriften werden von Managern großer deutscher Multinationaler Unternehmen kaum wahrgenommen, geschweige denn gelesen, zeigt eine Studie von Oesterle und Schmid (2009). Einzig die eher populäre Zeitschrift Harvard Business Review bildet hierbei eine Ausnahme. Wenn universitäre Karrieren in diesem Fach zunehmend von Publikationen in A-Journals abhängen, wird die Lücke größer, nicht kleiner. Mehr Anwendungsorientierung muss also das Ziel sein
– ganz in Deinem Sinne.
Herzlich
Hans (Erich Müller)
Vielen Dank für Kommentar, Quelle und vor allem auch den Mintzberg-Film: den werde ich gleich in der Lehre einsetzen! Spannend, wie er am Anfang Management als Schnittmenge von Wissenschaft, Handwerk und Kunst sieht! Damit hat auch die Ästhetik einen Platz in den Managementwissenschaften – den sie in Handwerk und Kunst automatisch besitzt, und in der Wissenschaft eigentlich auch (wenn auch der ästhetische Aspekt eher ein offenes Geheimnis für Eingeweihte zu sein scheint – ich denke dabei an die Eleganz mathematischer oder physikalischer Theorien als Kriterium der Wahrheit). —
Die Abkopplung von Praktikern und wissenschaftlichen Resultaten ist bedauerlich: Ihr wirkst du zum Beispiel auch durch deinen Blog-basierten Wissenstransfer entgegen!