2007 war das Jahr, in dem virtuelle Welten die Öffentlichkeit in Deutschland und anderswo am meisten beschäftigte (Spiegel 2007). Seitdem ist es still geworden in der Presse um diese merkwürdigen Lebensräume des 21. Jahrhunderts – obwohl sie sich eines ungebrochenen Wachstums erfreuen, mit derzeit insgesamt 16 Millionen Teilnehmern an Second Life®, der größten und bekanntesten der 3D-Umgebungen (Tiedge 2009). Die Deutschen sind nach den USA die häufigsten Nutzer von Second Life® – seit Ende 2009 haben sie ihren eigenen 3D-Kontinent und verbringen mehr Zeit in der virtuellen Welt als auf allen anderen bekannten, von der Motivation der Nutzer her vergleichbaren sogenannten „social media” Seiten wie StudiVZ, Facebook oder YouTube (Presseportal 2009).
Das hat vermutlich auch damit zu tun, dass sich eine ganze Reihe von Bildungs- und Kulturträgern zu Second Life® aufgemacht hat: so das Goethe-Institut, die Bayerische Staatsbibliothek, die Dresdner Gemäldegalerie oder auch die Volkshochschule. Eine Anzahl Europäischer Hochschulen haben sich nach dem Vorbild US-amerikanischer Universitäten, wie des University of Texas System, zu einem einzigen Riesen-Campus, dem European University Islands zusammengeschlossen. Insgesamt sind mittlerweile mehr als 300 Universitäten weltweit in Second Life® unterwegs.
Seit Januar 2010 ist auch die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin als erste deutsche wirtschaftswissenschaftliche Hochschule dabei. Als Teil des vom Europäischen Sozial Fond (ESF) geförderten Drittmittelprojekts „E(r)lernen: Kompetenzvermittlung zum Einsatz neuer Medien und Web 2.0 in Studium und Beruf” der HWR Berlin (2009-2012) wurden zwei Inseln von insgesamt 13 Hektar Größe angemietet. Dort werden wir in den kommenden Jahren Aspekte der virtuellen Lehre und Kollaboration erproben, wobei der Mehrwert für die Lehre im Vordergrund stehen soll.
Für den bereits seit Anfang des Sommersemesters laufenden Kursus „Internship Supervision“ – der Praktikumsbegleitung von einem Dutzend Studenten, die über die ganze Welt verstreut sind, liegt dieser Mehrwert auf der Hand: Um die „Nabelschnur” zur Heimathochschule HWR zu erhalten, aber auch damit die Auslandsstudent/innen ihre Studienleistungen während des Praktikumssemesters erbringen können, müssen wir einen “Raum” bereit stellen – und sei er virtuell. Alle „Präsenzveranstaltungen“ für diesen Kurs finden in Second Life® statt.
Zusätzlicher Mehrwert erwächst bei der virtuellen Welt jedoch nicht bloß aus der Notwendigkeit der quasi-räumlichen Anwesenheit oder aus Anwendungen beim Gruppenlernen. Virtuelle Welten bieten noch zwei weitere nennenswerte Vorteile: Simulationen und Unternehmensinformationen und -kontakte ebenso wie Zugang zu anderen Lehrinstituten sind dort in großem Umfang vorhanden. Jedes Treffen in Second Life® ist immer auch zugleich Feldforschung und Exkursion, und die Reichhaltigkeit virtueller Angebote in dieser fast ausschließlich auf soziale Interaktion hin angelegten Welt in der Welt war einer der Hauptgründe für die Auswahl von Second Life® als Plattform. Bis wir von einer vollwertigen Lehr- und Lernumgebung sprechen können, wird noch einige Zeit vergehen, aber jetzt schon können sich Studenten und Lehrende – letztere mit ihren eigenen Häusern und Blick aufs blaue Meer – auf Ausflüge in die farbenfrohe Welt der Avatare freuen.
Der virtuelle HWR Campus ist hier (Zugang setzt Registrierung bei Second Life voraus – dann kontaktieren Sie bitte „Besel Bearsfoot“ in-world, um eine Zugangsberechtigung zu unserem Campus zu erhalten). Oder gucken Sie sich mal um in Second Life…
Marcus Birkenkrahe
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