Nach einigen Zögern und Verschieben komme ich an Second Life nicht mehr vorbei. Vielleicht lohnt es sich meine ersten Versuche aufzuschreiben, um späteren „unwilligen“ Einsteigern die ersten Schritte zu erleichtern.
Tag 1
Ich gebe es zu – ohne die zwingende Notwendigkeit hätte ich zu den 70% der eingetragenen Second Life Nutzern gehört, die nach einem kurzen Besuch nie wieder gesehen werden.
Ich bin mit Rollenspielen nicht vertraut, meine kurzfristige Erfahrung mit Patrizier war strategiebasiert, meine intensive Begeisterung für Ausflüge der Kinder mit Töff-Töff zählen nicht, über meine Kurzrips bei Funama lässt mich mein Gedächtnis im Stich und bei den Sims und Animal Crossing bin ich über gelangweilte Blicke auf den Monitor nicht hinausgekommen.
Bilder vom Second Life konnten mich nicht begeistern, durchgestylte Einwohner mit viel Muskeln und tollen Figuren in diversen Umgebungen die sich nicht soviel zu sagen haben – das findet sich doch in Berlin genug… Erfahrungslos wie ich war kämpfte ich bei meinem ersten Besuch mit der Bewegungssteuerung des Avatars und war ansonsten – gelangweilt. Unser erstes Teammeeting im Second Life verpasste ich aus ehrlichen Terminproblemen und allzusehr reizte mich die virtuelle Welt nicht.
Teil des uns genehmigten Projektes ist jedoch ein virtueller Hochschulstandort und außerdem bin ich seit Montag im COMBLE „Blended Learning Expert Training Course“ und dabei angehalten mich wieder mit dem zweiten Leben auseinander zu setzen. Neben der Erstellung eines Avatares haben wir dabei konkrete Aufgaben bekommen. Nicht so anspruchsvoll, für Neulinge wie mich jedoch zeitintensiv genug.
Das bereitgestellte Informationsmaterial war ausführlich und gut aufbereitet, Schritt für Schritt wurde man in die neue Welt eingeführt. Die Anmeldung eines vorgefertigten Avatares dauert nur wenige Minuten, der Name ist eine Kombination aus eigenem Wunschvornamen und einer Auswahl an Vorschlägen für den Nachnamen, ich bin jetzt also als Susanne Pinelli unterwegs.
Eigentlich war dann ein unproblematischer Besuch auf einer englischsprachigen Orientierungsinsel geplant, irgendeine Unachtsamkeit lenkte meine Schritte jedoch nach Brasilien. Orientierung ohne Portugiesischkenntnisse überforderte mich an dieser Stelle maßlos, die um mich herumbrodelnde Kommunikation verwirrte mich, die nicht entzifferbaren Hinweistafeln halfen nicht und so blieb mir nur eines: Flucht! In Panik, jemand könnte mich ansprechen, ging ich ins Wasser! Unten im Ozean blieb ich dann erst mal stehen, veränderte mein Äußeres mit den selbsterklärenden Funktionen (ich bin die kleine Dicke mit den langweiligen Sachen) und versuchte mit der Funktion „Karte“ bessere Orte zu finden. Durch Zufall landete ich dann auf der Orientierungsinsel der Rheinischen Fachhochschule. Das war schon eher meine Welt, Einsamkeit, kein portugiesisch und viele Stationen die mir so nach und nach viele Informationen freigaben. Viel zu lesen, einiges zum Ausprobieren und Niemanden der mich sah wenn ich den Geschenkkarton um die Hüfte trug. Eine ähnliche Station ist der Ivory Tower bei dem einzelne Stationen alles zum Thema Bauen erklären. In dem Geschenk war dann übrigens eine Limonade, die ich jetzt leider nicht abstellen kann.
Tag 2
Neben meinen wenigen Schritten im virtuellen Leben lese ich nun auch ein Buch zum Thema: „Second Lives, A journey trough virtual worlds“ von Tim Guest. Dabei handelt es sich nicht um eine Gebrauchsanweisung. Er verknüpft einen eigenen Erfahrungsbericht mit Hintergrundwissen und Historie und hinterfragt verschiedene Begegnungen. Zum Beispiel trifft er den Avatar Wilde. Dieser steht für acht individuelle Persönlichkeiten im realen Leben, die durch Behinderungen beeinträchtigt sind und sich dank einer engagierten Betreuerin in der virtuellen Welt frei bewegen können. Er besucht die Gründer der virtuellen Welt und erfragt Ziele und Beweggründe. Diese persönlichen Schilderungen weiten die Sicht auf die virtuelle Welt in unerwartete Richtungen.
Ich versuche noch Begegnungen zu vermeiden und mich erst mal einsam und alleine einzugewöhnen. „Freundschaft geschlossen“ habe ich jedoch weisungsgemäß mit den Trainerinnen meines Kurses. Eine weitere Aufgabe ist ein Foto unseres Avatares vor einem netten Hintergrund. Als Neuling greife ich erst mal auf Google zurück und suche nach netten ungefährlichen Orten. Bei www.SL2go.de werden verschiedene Orte vorgestellt, ich besuche ein paar davon und probiere andere Empfehlungen – nett fand ich beispielsweise die Dresdner Gemäldegalerie. Mit ein wenig Geduld für die Grafikkarte kann man die alten Meister relativ originalgetreu bewundern. Überhaupt fühlte ich mich in den historisch realistisch wirkenden Orten am wohlsten – ganz so sehr bin ich dem modernen Leben wohl noch nicht gewachsen. Meine Kinder (im reelen Leben) reden mir meine grauen Haare aus. Die Limonade trage ich immer noch mit mir rum.
Tag 3
Das versprochene Taschengeld ist noch nicht eingetroffen, sollte ich die Gelegenheit nutzen um selbst Geld zu verdienen? Eigentlich brauche ich nur 10 Linden Dollar (ca. 3 ct.) um ein Foto hochzuladen. Laut meiner Kurzlektion zum Thema Geld kann ich nach Geld kaufen, Geldbäumen suchen oder mich nach einem Job umschauen. Die Suche nach Geldbäumen bleibt fruchtlos, bei der Jobsuche besuche ich als erstes das Arbeitsamt Berlin. Da hängt jedoch nur massenhaft Wahlwerbung. Unter der Suchfunktion schaue ich mir die Anzeigen an. Viele davon richten sich eindeutig in Richtung Sex, andere klingen nach harmlosen Tänzen. Bei näherer Betrachtung sind dann einmal die Sachen doch halb ausgezogen, auf der anderen Tanzfläche sind solche Traumtänzer unterwegs, dass ich kleines Pummelchen mich gar nicht weiter umschaue. Eine hilfreiche Beschreibung möglicher Jobs findet sich auf der Webseite des SLArbeitsamtes, etwas für mich ist nicht dabei. Früher gab es da wohl mehr Möglichkeiten, „Newbies“ wie mir wurden stupide Jobs angeboten um das eigene Gebiet mit Avataren zu füllen – Second Life hat diesem Kniff jedoch im Frühjahr einen Riegel vorgeschoben und ahndet entsprechende Angebote. Also schreibe ich doch unserer Trainerin eine Mail um mein Taschengeld und das kurseigene T-Shirt anzufragen.
Ansonsten habe ich mein erstes problemfreies Gespräch und wünsche mir die Möglichkeit des teleportierens ins reale Leben zu übertragen. Meine Limonade trage ich weiter mit mir herum.
Tag 4
Ich habe Geld bekommen, mein Kurs-T-Shirt angezogen und habe die Limonade „fallen gelassen“. Second Life erscheint mir wie eine große Party. Da man niemanden kennt, fällt das Eingewöhnen eindeutig leichter, wenn man sich an konkreten Aufgaben festhalten kann. Vielleicht ist es wie bei Partys leichter gleich zu zweit hinzugehen und vielleicht vor Ort bekannt gemacht zu werden? Würden die 70% ihre Stippvisiten verlängern, wenn Ihnen ein Buddy zur Seite stände? Im Buch habe ich jetzt gelesen, das ich alle Klischees erfülle. Meine Fixierung auf natürliche Umgebungen und Materialien wird von den meisten Besuchern anfangs geteilt. Erst nach einiger Zeit nimmt die Phantasie einen größeren Raum ein, man begeistert sich für modernere Architekturen und liebäugelt mit dem Bau eines eigenen fliegenden Hirngespinstes.
Um so besser, dass unsere virtuelle Hochschule veränderlich sein soll. Ich hoffe noch auf einige SL-begeisterte HWR-Avatare, die uns bei den Überlegungen zur Einrichtung dieses Standortes begleiten.
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