E(r)lernen: Zukunftskonzepte zur Lehre mit (digitalen) Medien

30 Nov, 2012

– Vortrag an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin, am 4. September 2012 von Andreas Hebbel-Seeger | MHMK – Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation, Campus Hamburg Die Nutzung von (digitalen) Medien in Lehr-/Lernkontexten lässt sich mit der Metapher einer Seereise umschreiben. Danach hängt eine erfolgreiche Überfahrt auf dem „Medienmeer“ von sechs Bedingungsfaktoren ab: […]

Vortrag an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin, am 4. September 2012

von Andreas Hebbel-Seeger | MHMK – Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation, Campus Hamburg

Die Nutzung von (digitalen) Medien in Lehr-/Lernkontexten lässt sich mit der Metapher einer Seereise umschreiben. Danach hängt eine erfolgreiche Überfahrt auf dem „Medienmeer“ von sechs Bedingungsfaktoren ab:

1.) Von der vorherrschenden Wetterlage. Damit sind die politischen Rahmenbedingungen innerhalb einer Institution gemeint, die experimentelles Arbeiten mit neuen Medien, Technologien und Unterrichtsformaten begünstigt oder behindert.

2.) Vom gewählten Fahrtgebiet, welches für die Auswahl der Medien und digitalen Werkzeuge steht. Während sich in „seichten Gewässern“ auf gut erprobte Inhalte verlassen werden kann, steigt die Unsicherheit und Gefahr des Scheiterns mit der Nutzung neuer Unterrichtsformate und Technologien analog zur Entfernung von der Küste und dem Befahren unbekannter und gefährlichen Seen.

3.) Von den verfügbaren Seezeichen. Dieser Aspekt korreliert stark mit dem vorangegangenen. Denn für die Nutzung neuer Technologien sind kaum oder keine didaktisch-methodischen Orientierungen („Seezeichen“) verfügbar. „Markierte Fahrwasser“ zeichnen sich dagegen durch die Dokumentation und Systematisierung von bereits vorliegenden eigenen wie fremden Unterrichtserfahrungen aus, die als Hilfe und Leitlinie herangezogen werden können.

4.) Vom Schiff, das als Analogie für die institutionelle IT-Infrastruktur steht. Ein belastbarer „Eisbrecher“ dient als Bild für eine stabile IT-Infrastruktur mit entsprechenden Bandbreiten und einer zumindest unter der Vorgabe von Systemsicherheit in Maßen möglichen Integration neuer Hard- und Software. Mit einem „Gummiboot“ lässt sich hingegen das „Medienmeer“ kaum erkunden. Weder ist eine „Zuladung“ mit neuen Technologien möglich, noch eine vertretbare Auslastung auf Basis bestehender Strukturen. Das Gummiboot trägt sich und sein (technisches) Personal, nicht jedoch Lehrende und Lernende.

5.) Von der Schiffsführung. Die Nutzung neuer Technologien und Entwicklung innovativer Einsatzszenarien setzt auf Erfahrung auf. Ein erfahrener Kapitän ist hier einem Bootsjungen überlegen.

6.) Von den Passagieren. Sollen neue Fahrtgebiete auf dem Medienmeer erkundet, also neue Technologien und Lehr-/Lernszenarien entwickelt und erprobt werden, setzt dies auf Seiten der Passagiere, den Lernenden, die Bereitschaft voraus, sich darauf einzulassen und ein (vorläufiges) Scheitern potentiell zuzulassen. Hierfür muss das gewohnte Lernverhalten hinterfragt und bisweilen auch aufgegeben werden können.

In der Befahrung des „Medienmeers“ trifft Vision auf Wirklichkeit. Mit dem Befahren des Medienmeers wird ein (Lern-)Ziel angesteuert; ist die Mediennutzung Mittel zum Zweck. Trotz sorgfältiger Planung können sich Annahmen bezüglich der vorherrschenden Wetterlage, des Fahrtgebietes, der verfügbaren Seezeichen, dem eigenen Fahrzeug, der Schiffsführung und den Passagieren als in Teilen unzutreffend herausstellen oder sich im Zuge der „Seefahrt“ verändern. Dann gilt es

  • das Fahrtziel anzupassen, d.h. Lernziele und Lerninhalte zu modifizieren,
  • die Segelfläche zu verändern, was für die angestrebten Umfänge und Tiefe in der Auseinandersetzung mit Lerninhalten steht und/oder
  • eine Verschiebung der „Flottenstärke“ vorzunehmen, indem der Medieneinsatz einer Neubewertung und aktualisierten Einordnung unterzogen wird.

Virtuelle Realitäten sind ein „Fahrtgebiet“ auf dem „Medienmeer“. Es ist schon vielfach befahren worden und entsprechend „kartographiert“. Gleichwohl sind Seekarten und Seezeichen lückenhaft und lassen Raum für neue Entdeckungen. Eine grobe Orientierung liefern acht Seezeichen mit erheblicher „Drift“. Diese stehen für…

1.) die Ökonomische Perspektive, die mit der Überwindung von Raum- und Zeitgrenzen vor allem eine potentielle Kostenersparnis verbindet, indem im Kontext von virtuellen Vorlesungen und Kongressen beispielsweise Reisekosten entfallen.

2.) einen „Schutzraum“ für experimentelles Arbeiten. In virtuellen Realitäten ist die Erkundung und Erprobung von Handlungsabläufen oder Theorien ohne (existentielle) Bedrohung hinsichtlich der Konsequenzen möglich. Beispiele finden sich hierfür in virtuellen Laboren, der Simulation von Prozessen, Maschinen und Handlungsfeldern, sowie dem Spiel mit der eigenen Identität.

3.) Möglichkeiten der Modell-Bildung, indem Konzeption und Modellierung von Ideen, Projekten und Kampagnen als „Proof of Concept“ umgesetzt werden können. Idealtypische Beispiele finden sich im Usability-Engineering, der Analyse von Raumwegen oder der Visualisierung von Gebäuden.

4.) Möglichkeiten der Feedbackgestaltung. In virtuellen Realitäten eröffnen sich neue, andere und ergänzende Formen des Feedbacks, insbesondere im Sinne einer Augmented Reality.

5.) Möglichkeiten einer veränderten und fokussierten Wahrnehmung, bspw. über die Skalierung von Größenverhältnissen und/oder zeitlicher Strukturen, indem Prozesse verlangsamt oder beschleunigt werden, Einblick genommen werden kann in besonders kleine Objekte oder aber komplexe Arrangements über eine Zusammenfassung erfassbar werden.

6.) eine Kognitive Entlastung. Realweltliche Erfahrungen können in virtuellen Realitäten nutzbar gemacht werden, z.B. durch die Verwendung von Raum-Metaphern und habituierten sozialen Interaktionsformen.

7.) die lernrelevanten Voraussetzungen. In online-basierten virtuellen Realitäten sind Kommunikation, Kollaboration und Selbstorganisation idealtypisch angelegt.

8.) Möglichkeiten der Verknüpfung von realer und virtueller Welt zu einem neuen Erfahrungsraum (z.B. im Blended Learning), indem sich realweltliche Aktivitäten in den virtuellen Raum verlängern lassen und vice versa.

Die Nutzung virtueller Realitäten impliziert dabei grundsätzlich eine Transferannahme, indem Fähigkeiten und/oder Fertigkeiten von einem situativen Umfeld in ein anderes übertragen werden. Mögliche Transfereffekte werden auf verschiedenen Ebenen beschrieben: Kognition, Sensomotorik, Affektion und Emotion.

 

 

 

 

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