Vom Präsenzunterricht zum Blended-Learning Format – ein Erfahrungsbericht

30 Nov, 2018

Autorin: Aileen Oppermann Ein E-Learning Kurs neu zu konzipieren ist die eine Sache, eine vorhandene Vorlesung umzubauen eine ganz andere. Nun könnte ich gleich den ganz großen Wurf wagen und die ganze Vorlesung in ein E-Learning Format bringen. Aber wenn die Möglichkeit besteht, das Beste aus beiden Welten zu vereinen, warum dann nicht ein Blended-Learning Format […]
Autorin: Aileen Oppermann

Ein E-Learning Kurs neu zu konzipieren ist die eine Sache, eine vorhandene Vorlesung umzubauen eine ganz andere. Nun könnte ich gleich den ganz großen Wurf wagen und die ganze Vorlesung in ein E-Learning Format bringen. Aber wenn die Möglichkeit besteht, das Beste aus beiden Welten zu vereinen, warum dann nicht ein Blended-Learning Format wählen?

Ausgangssituation

Das Schöne an einem vorhandenen Lehrplan ist, die Inhalte sind schon da. In meinem Fall sind die Inhalte explizit vom TÜV vorgegeben. Das Modul „Qualitätsbeauftragter I“ im Master-Studiengang Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagement an der BPS soll die Studierenden auf die Prüfung „Qualitätsbeauftragter“ vom TÜV vorbereiten. Die Zertifizierung ist eine der wichtigsten Qualifikationen im Berufsfeld Qualitätsmanagement. Für viele Studierenden ist es ein ausschlaggebender Grund, diesen Master-Studiengang zu wählen. Die Erwartungshaltung ist entsprechend hoch. Vom TÜV werden Folien, Skript und Übungen zur Verfügung gestellt. Bereits im vergangenen Semester habe ich die Unterlagen vom TÜV mit eigenen Präsentationsfolien, weiterführender Literatur und Übungen ergänzt. Vor allem aktuelle Themen können vom TÜV nicht abgebildet werden, machen aber die Vorlesung interessanter. Denn QM in der Theorie ist ungefähr so spannend wie den Duden zu lesen.

Vorgehensweise

Es ist ein bisschen wie beim Kochen nach Rezept: Aus dem letztjährigen Durchgang stehen neben den Unterlagen vom TÜV, die ISO-Norm 9001 (die Bibel des QM), meine Unterlagen sowie die Rückmeldungen der Studierenden zur Verfügung.

QM-Regel Nr. 1: Ehre dein Kundenfeedback.

Die Studierenden kritisierten die Übungen und wünschten sich noch mehr Praxisbeispiele. Dieses Feedback habe ich beim Umbau berücksichtigt. Damit haben wir unsere Zutaten für das QM-Kurs-Rezept zusammen. Als Rezept dienen der hochschulinterne E-Learning-Kurs, diverse Bücher und andere E-Learning Kurse über E-Learning. Im Gegensatz zum exakt beschriebenen Kochrezept geben Kurse und Bücher im Bereich E-Learning eine allgemeine Anleitung mit. Wie konkret dies für den eigenen Kurs aussieht, muss jede/r Dozent/in für sich herausfinden.

Methodischen Aufbau und inhaltliche Ziele festlegen

Das inhaltliche Ziel des Kurses ist ganz klar: den Studierenden QM-Grundlagen beibringen und die TÜV-Prüfung bestehen. Heruntergebrochen ergeben sich für diesen sieben ETCS-Kurs insgesamt 23 Lernziele. Eines davon ist „Die Studierenden verstehen die Zielsystematik im QMS inkl. PDCA-Zyklus.“1 Und wie sieht der methodische Aufbau aus? Das Vorgehen für diesen Kurs soll sein, dass die eigentliche Aneignung von Wissen im Selbststudium (online und offline) geschehen soll. Die Präsenzphasen werden ausschließlich für Übungen und Diskussionen genutzt. Selbststudium ist auch beim Präsenzunterricht ein wichtiger Bestandteil. Was unterscheidet ihn vom Blended-Learning-Format? Weniger als man denkt. Wirklich gut funktioniert Blended-Learning, wenn Selbststudium und Präsenzunterricht wie zwei Puzzleteile ineinandergreifen. Durch E-Learning Methoden stehen mittlerweile mehr Methoden zur Wissensvermittlung und -anwendung zur Verfügung. Je mehr Wissen in den Selbststudienphasen angeeignet werden soll, desto wichtiger ist ein gut angeleiteter Lernpfad.

Vom Lernziel zum Lernpfad

Beginnen wir mit dem Schnippeln der Zutaten für unserem QM-Kurs: das Lernziel in einzelne Lernschritte herunterbrechen und die geeigneten Methoden zur Vermittlung dieser Lernschritte auswählen. Voila, le „Lernpfad“! Bleiben wir beim Lernziel „Die Studierenden verstehen die Zielsystematik im QMS inkl. PDCA-Zyklus“. Zum besseren Verstehen hier ein paar Inhalte:

  • Welche Qualitätspolitik (QM-Slang für Vision & Mission) hat mein Unternehmen?
  • Welche Ziele und Kennzahlen ergeben sich daraus?
  • Wie stelle ich sicher, dass ich die gesetzten Ziele erreiche?
  • Wie will ich das messen und steuern?

QM-Regel Nr. 2: Mach dir klar, wo dein Unternehmen hinwill und wie du sicherstellst, dass es da auch ankommt.

Dieses Lernziel erreichen die Studierenden über einen geeigneten Lernpfad. Hier kommt der eigentliche Charme des Blended-Learning zum Vorschein.

Lernpfad zum Lernziel: Die Studierenden verstehen die Zielsystematik im QMS inkl. PDCA-Zyklus

Erster Teil des Lernpfads: Selbststudium

Der Kochvorgang beginnt: Zunächst brauchen die Studierenden Wissensfutter, daher startet dieser Lernpfad mit einem Selbststudiums-Teil. Um genauer zu sagen, mit dem Blick in die TÜV-Unterlagen und die ISO-Norm 9001. Die TÜV-Unterlagen stehen in ausgedrucktem und digitalem Format zur Verfügung. Es kann also jeder lesen, wie er mag. Die Norm gibt es nur auf dem Papier – eher ein Urheberrechtsthema, denn ein didaktisches. Die Studierenden bekommen die Aufgabe, sich das nötige Wissen anzueignen; was eine Qualitätspolitik ist und wie die Qualitätsziele daraus abgeleitet werden sollen. Das „Plan“ und „DO“ im PDCA-Zyklus. Um die Übung im Präsenzsteil vorzubereiten, erhalten sie die Aufgabe, die Qualitätspolitik ihres Unternehmens2 mitzubringen. Denn nichts macht so viel Spaß wie das echte Leben.

Zweiter Teil des Lernpfads: Präsenz

Weiter auf dem Lernpfad: Im Präsenzunterricht analysieren wir dann die mitgebrachten Qualitätspolitiken anhand der Normkriterien. Wir stellen uns die Frage der Fragen: Sind die Q-Politiken (Q steht für Qualität) normenkonform?

QM-Regel Nr. 3: Nichts geht über Normenkonformität.

Beim Ableiten der Q-Ziele wird es ganz SMART3. Im Fokus steht die Frage: Worauf muss ich bei der Zielformulierung achten? Zum Abschluss diskutieren wir die alles entscheidende Frage: Und was ist aus der Q-Politik geworden? Übung und Diskussionen bestimmen den Präsenzteil, um das erlernte Wissen anzuwenden, aber auch um es kritisch zu hinterfragen.

Dritter Teil des Lernpfads: Selbststudium

Das Ende des Präsenzunterrichtet läutet auch den letzten Teil des Lernpfades ein. Um nachzuweisen, ob die Unternehmen ihrer Vision ein Stück näherkommen, gibt es das Mittel der Managementbewertung. Darin werden alle Teile des QMS regelmäßig ausgewertet und beurteilt („Check“ im PDCA-Zyklus). Wenn das Unternehmen noch nicht am Ziel angekommen ist, muss es Maßnahmen beschließen und umsetzen („ACT“ im PDCA-Zyklus). Die Managementbewertung ist nicht nur für die Unternehmen ein guter Überblick, sondern auch für die Studierenden. Da dieser Lernpfad einer der ersten im Modul ist, wird hier der Grundstein für die folgenden gelegt. Die Studierenden erhalten über die nächsten Wochen die Aufgabe, die Checkliste für die Managementbewertung mit Leben zu füllen. Ganz am Ende des Moduls wird dann nochmal auf diese Checkliste eingegangen.

Lernziel erreicht?

Wie auch beim Kochen, kann das Rezept noch so gut befolgt werden, am Ende zählt, ob es schmeckt. In unserem Fall heißt es: Haben die Studierenden den Lerninhalt verstanden? In den Lernpfaden, die als reines E-Learning ablaufen, wird es am Ende immer einen Multiple-Choice-Test geben. Dieser dient zum einen der Überprüfung des Lernzieles und zum anderen als Vorbereitung auf die TÜV-Prüfung. Diese Prüfung ist komplett als Multiple-Choice aufgebaut und hat so manchen Testteilnehmenden zur Verzweiflung gebracht. Damit dies unseren Studierenden nicht passiert, begleitet sie diese Testform das ganze Modul über. Die Studierenden hat es gefreut, dass sie sowohl inhaltlich als auch methodisch auf die TÜV-Prüfung vorbereitet werden.

Bei den Blended-Learning Formaten wird die Lernzielüberprüfung unterschiedlich aussehen. Zum einen zeigen die Übungen und Diskussionen, ob sie das vorher angeeignete Wissen anwenden können, zum anderen baut der Kurs inhaltlich aufeinander auf. D.h. nachfolgende Lernpfade können nur beschritten werden, wenn die vorhergehenden Lernpfade abgeschlossen wurden. Quasi wie bei einem Videospiel.

Ob die Umstellung des Präsenzunterrichts in ein Blended-Learning-Format ein Erfolg ist, lässt sich an zwei Ergebnissen messen:

  1. Bestehen die Studierenden die TÜV-Prüfung? Die Messlatte ist hier hoch, schließlich haben im letzten Jahr alle bestanden.
  2. Was sagen die Studierenden dazu? Über den Evaluationsbogen und Zwischenevalutionen werde ich diese Bewertungen abfragen. Zudem haben die Studierenden die Aufgabe erhalten, die Lernzeiten für den Selbststudiumteil zu ermitteln. Dieser darf nicht mehr werden als der vorgegebe Zeitanteil, aber auch nicht viel weniger.

Bis jetzt lässt sich sagen, dass mit dem Blended-Learning Format eine größere Auswahl an Methoden zur Verfügung steht. Für mich als Dozentin bin ich flexibler in der Gestaltung der Lernpfade und kann die Präsenzanteile für die Sachen nutzen, die Spaß machen: der Austausch mit den Studierenden. Bislang sind auch die Studierenden mit Enthusiasmus dabei. Bleibt nur zu sagen: Essen ist fertig!

 

 

1 QMS = Qualitätsmanagementsystem, PDCA = Plan- Do-Check-Act, ein Grundprinzip zum Vorgehen im QMS

2 Das Master-Studium wird als nebenberufliches Studium angeboten.

3 SMART – Spezifisch, Messbar, Attraktiv/Ambitioniert, Realistisch, Terminierbar

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