Die Multitasking-Falle –Arbeitsunterbrechungen und die Ansätze, ihnen zu entkommen

12 Dez, 2012

Erst kürzlich stieß ich wieder auf eine Praktikumsanzeige, die nach der „ability to multitask“ verlangte. Multitasking –Ist das überhaupt möglich? Während die einen überzeugt „NEIN“ schreien, schmücken sich andere gerne mit dem, mit Multitasking assoziierten, Bild, der Herr aller Schaltknüppel zu sein. Letztere weisen sogenannte Polychronizität auf und empfinden zwar durchaus höhere Zufriedenheit bei der […]

Erst kürzlich stieß ich wieder auf eine Praktikumsanzeige, die nach der „ability to multitask“ verlangte. Multitasking –Ist das überhaupt möglich? Während die einen überzeugt „NEIN“ schreien, schmücken sich andere gerne mit dem, mit Multitasking assoziierten, Bild, der Herr aller Schaltknüppel zu sein. Letztere weisen sogenannte Polychronizität auf und empfinden zwar durchaus höhere Zufriedenheit bei der Bearbeitung mehrerer Aufgaben zugleich, schneiden darum aber nicht besser in deren Bewältigung ab.

Ob und unter welchen Umständen Multitasking möglich ist und wie wir mit Arbeitsunterbrechungen im Alltag umgehen können, werde ich im Folgenden darstellen. Fakt ist, der Begriff Multitasking stammt aus der Informatik und bezieht sich auf die Fähigkeit von Prozessoren, mehrere Prozesse oder Tasks gleichzeitig auszuführen. Können auch wir uns diese Fähigkeit zuschreiben?

Die Auswirkungen von Multitasking

Für uns Individuen ohne künstliche Intelligenz umschreibt Multitasking vielmehr den schnellen Wechsel zwischen verschiedenen Aufgaben. Demnach können zwar mehrere Aufgaben während eines begrenzten Zeitraums bearbeitet werden, jedoch erfolgt dies nur selten tatsächlich simultan (Ausnahmen finden sich bei stark automatisierten, motorischen Tätigkeiten).

Wenn wir schnell zwischen Aufgaben hin und her wechseln, bestätigen verschiedenste Studien eine längere Bearbeitungszeit und eine höhere Fehlerrate, was auf Basis mehrerer wissenschaftlicher Theorien begründet werden kann.

So gehen Vertreter der Bottleneck-Theorie davon aus, dass wir kognitiv nur in der Lage sind, einen Prozess auszuführen, weswegen die Unterbrechung durch eine andere Tätigkeit diesen Prozess logischerweise verzögert. Hinzu kommt eine Reizüberflutung, dessen unterschiedliche Stimuli bei ähnlichen Aufgaben überlappen und darum von uns durcheinandergebracht werden. Dies erklärt unter anderem das Alltagsphänomen von Telefonaten während gleichzeitigen Chattens oder Abrufs von Facebook-Benachrichtigungen, was uns die jeweiligen Inhalte vermischen lässt.

Zudem ist der Multitasking-bedingte Aufgabenwechsel mit Wechselkosten behaftet. Während es in der Ökonomie etwa die hohen Einstiegskosten in eine andere Industrie sind, die den Wechsel kostspielig machen, sind es in der Aufgabenbewältigung unsere verschiedenen Planungs- und Gedankengänge, die nach jeder Arbeitsunterbrechung wiederhergestellt werden müssen.

Von den negativen Konsequenzen von Arbeitsunterbrechungen und Multitasking ausgenommen sind besonders einfache Tätigkeiten. Ist man zum Beispiel durch den hohen Automatisierungsgrad oder sein Expertenwissen von einer Aufgabe gelangweilt, mag die Aussage „Deine Unterbrechung kam mir gerade recht“ durchaus der Wahrheit entsprechen. Denn hier kann forciertes Multitasking einen vitalisierenden Strategiewechsel oder eine Effizienzsteigerung mit sich bringen. Wir bleiben jedoch im Kontext der komplexen Aufgaben, welche für Studenten den Normalfall darstellen dürften.

Abgesehen vom erhöhten Zeitaufwand und der gesteigerten Fehlerquote können Multitasking oder die damit verbundenen Arbeitsunterbrechungen sogar noch mehr beeinträchtigen als unsere Leistungsfähigkeit: Die Rede ist von unserer Gesundheit.

So ist der Zeitdruck, der durch die verlängerte Bearbeitungszeit entsteht, ein klassischer Verursacher von Stress, der kurzfristig zwar antreibt, aber langfristig krank macht. Das Anhäufen der Aufgaben erhöht zudem die Komplexität unserer Handlungsprozesse, weswegen viele Menschen bei Arbeitsunterbrechungen Ärger empfinden und häufig schon während der Bearbeitung Kontrollverlust erleben. Zusätzlich zu dieser Überforderung ist bekannt, dass unerledigte Aufgaben und schlechte Zielerreichung unser Gedächtnis dominieren und auf lange Sicht zu Leistungs- und Erwartungsdefiziten führen. Auch dies kann sich im schlimmsten Fall zu Depressionen entwickeln und verstärkt den Appell, Multitasking und Arbeitsunterbrechungen zu vermeiden.

Weg vom Multitasking: Tools, Entrepreneurship, Alltag

Die nahegelegenste Alternative des Multitasking ist es, Aufgaben konsequent nacheinander zu bearbeiten. Dafür steht mittlerweile eine große Anzahl von Tools zur Verfügung. Die einfachste Möglichkeit: Handy, Facebook und Email-Benachrichtigungen abschalten. Wenn wir trotzdem unterbrochen werden und zu Multitasking gezwungen werden, können wir auf Planungs-, Notiz-und Taskmanagement-Tools zurückgreifen. Dies ermöglicht uns, schneller zu Gedankenvorgängen und Zielsetzungen zurückzukehren, um so den zusätzlichen Zeitaufwand zu minimieren.

Die Tendenz sich vom Multitasking abzuwenden, setzt sich auch in der Entrepreneurshiplehre immer mehr durch. So appellierte Günter Faltin in „Kopf schlägt Kapital“ an die neue Gründergeneration, aus Komponenten zu gründen und sich eben nicht jeder einzelnen Tätigkeit selbst zu widmen, sondern sich den Kopf für die Weiterentwicklung des Ideenkonzepts freizuhalten. In diesem Kontext thematisiert er auch den Telefon- und Büroservice der ebuero AG, die nicht nur selbst auf diesem Konzept basiert, sondern auch anderen Unternehmen als Komponente und somit zur Arbeitsentlastung dient.

Das Motiv, seine Anrufe auszulagern, um nicht gestört zu werden, ist bei vielen Kunden der ebuero AG zu finden und veranschaulicht zugleich den Konflikt zwischen kundenorientierter Firmenphilosophie und Multitasking-Vermeidung: Wer seine Kunden und Anrufer als seine erste Priorität betrachtet, ist früher oder später zum Multitasking gezwungen, wenn ihm kein Telefonsekretariat zur Verfügung steht.

Das Klingeln eines Telefons ist sogar ein besonderer Fall der Arbeitsunterbrechung. Studien haben belegt, dass unter anderem das Timing von Unterbrechungen für den Grad der Beeinträchtigung entscheidend ist: Das Klingeln kann nicht einfach aufgeschoben werden, um den derzeitigen Stand der Aufgabenbewältigung zu speichern. Folglich nimmt es mehr Zeit in Anspruch, zur Aufgabe und Zielsetzung zurückzukehren, als wenn man den Gedankengang vorher vollenden kann. Auch ist es in der heutigen Arbeitswelt insbesondere der Druck, permanent erreichbar zu sein, der viele Menschen in Form von dauerhafter Alarmbereitschaft stark belastet.

Übrigens beschränkt sich die Multitasking-Falle keineswegs auf die Arbeitswelt! Dave Crenshaw illustriert, wie Multitasking auch soziale Beziehungen zerstören kann und gibt Tipps, wie wir unseren Liebsten unter Ausschluss von Multitasking mehr Zuwendung zuteilwerden lassen und unser Sozialleben so befriedigender gestalten.

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