Das diesjährige Motto lautete “Tales of Tomorrow” und meint damit, über das Zukünftige nachzudenken und dabei Visionen zu entwickeln. Zur Zielgruppe gehörten all jene, die sich für gute Hochschulbildung interessieren, so dass Hochschulleitungen, Vertreter*innen aus der Politik, Lehrende, Studierende und Hochschulbeschäftigte aufeinandertrafen. Die Veranstaltung wurde organisiert vom Hochschulforum Digitalisierung und der Stiftung Innovation in der Hochschullehre und wurde unterstützt vom Stifterverband. Wir waren online dabei. Das umfangreiche Programm mit verschiedenen Formaten (Keynotes, Workshops, Training, Diskussionen, Lightning Session, etc.) machte es uns nicht leicht, sich für einzelne Themen zu entscheiden. So haben wir verschiedene interessante Talks zum Themenbereich KI in der Hochschullehre herausgepickt und für Sie hier zusammengefasst.
Wie kommt KI in die Hochschullehre?
Diese Frage versucht die HU Berlin im Programm KI-Campus 2.0 zu beantworten. Niels Pinkwardt (Vizepräsident für Lehre und Studium) und Louise Schubotz (Stabsstelle Qualitätsmanagement) stellten die aktuellen Projekt(zwischen)ergebnisse vor. Mittels einer Interview-Reihe in den Studiendekanaten und einer HU-weiten Lehrendenbefragung wird aktuell der Status quo zum Thema KI als Studieninhalt ermittelt und eruiert, welche Strategien als vielversprechend betrachtet werden und wer überhaupt die relevanten Akteur*innen sind.
Neben der grundsätzlichen Einstellung zu KI als Studieninhalt wurden Meinungen zur Nutzung von KI in Forschung und Lehre, der curricularen Verankerung, KI-bezogenen Kompetenzen, zu Bedarfen und Maßnahmen und OER-Angeboten eingeholt.
83% der Befragten denken, dass KI die Hochschulbildung stark beeinflussen wird, 76% sind der Meinung, dass Studierende aller Fachrichtungen KI-bezogene Kompetenzen erwerben sollten und dabei die kritische Reflexion und Bewertung vor dem Erwerb der technischen Kompetenzen stehen muss.
Hinsichtlich der curricularen Verankerung ergab sich ein vielfältiges Meinungsbild von der Einführung eines Pflichtmoduls für alle Studierenden bis zur völlig freien Entscheidung, wie Studiengänge das Thema aufgreifen. Denkbar sind für viele der Befragten eine Integration in bestehende Lehrangebote aber auch überfachliche Angebote an zentralen Einrichtungen.
Interessant ist auch die Rückmeldung nach dem eigenen Fortbildungsbedarf. Mehr als 80% der Befragten wünschen die Unterstützungsangebote vor allem hinsichtlich KI-basierter Anwendungsszenarien und didaktischer Fragestellungen.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass das Thema hochrelevant ist, die HU über eigene Projekte (KI-Campus, AI-Skills, Jupyterhub) verschiedene Strategien fahren kann. Lehrende bleiben die Hauptakteure, wünschen sich aber Impulse. Um die Perspektive der Studierenden zu evaluieren, wird im Sommer 2024 eine quantitative Befragung zu KI und KI als Studieninhalt durchgeführt.
HAWKI – Generative KI für Hochschulen
Wer recherchiert, auf welchem Weg Hochschulen ihren Angehörigen Zugang zu generativen KI-Anwendungen ermöglichen kann, kommt an HAWKI nicht vorbei.
Vor einem Jahr ist HAWKI, ein Interface, das Zugang zum GPT Sprachmodell von OpenAI über den Hochschulaccount ermöglicht, online gegangen. Entwickelt wurde es im Interaction Design Lab der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Mehr als 20 Hochschulen/Universitäten nutzen HAWKI inzwischen offiziell, weitere haben es im Testbetrieb. Neuen Entwicklungsschwung gibt es durch die Kooperation mit der Uni Hamburg und der Uni Gießen.
Besonders interessant ist die, auf dem University Future Festival verkündete, strategische Partnerschaft zwischen HAWKI und der GWDG (Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung mbH Göttingen), die es ermöglicht, künftig über das HAWKI Interface zwischen ChatGPT (OpenAI) und weiteren OpenSource Sprachmodellen zu wählen. Die Entwickler sehen HAWKI inzwischen als Ökosystem, indem neben ChatGPT eben auch andere Open-Source Sprachmodelle und ggf. lokale IT-Systeme integriert werden können. HAWKI 2.0 ist derzeit in Vorbereitung mit vielen neuen Features. Spannend werden z.B. Prompt-Bibliotheken, mehr Gruppenaktivitäten, das Markieren in Chatverläufen und Angebote für Prüfungen. Dieser Ansatz ist für die HWR Berlin auch sehr interessant.
Wie prüfen wir künftig?
…. fragen sich Vera Lenz-Kesekamp (Vizepräsidentin der Euro-FH Hamburg) und Julia Jochim (E-Learning-Expertin der Euro-FH Hamburg) in ihrem Beitrag “Prüfungsformen im KI-Zeitalter bewertet”. Wenn traditionelle Prüfungsformate wie Klausuren und Hausarbeiten nicht mehr ermöglichen, individuelle Leistungen zu beurteilen, wie können Prüfungen, die den Einsatz von KI berücksichtigen, dann gestaltet werden? Eine Studierenden- und Lehrendenbefragung im Frühsommer 2023 kam zu interessanten Ergebnissen:
- Prüfungen sollten so konzipiert sein, dass eine künstliche Intelligenz nicht helfen kann (45% Studierende, 40% Lehrende)
- Prüfungen sollten die Nutzung von KI integrieren, aber trotzdem Eigenleistung erfordern (25% Studierende, 24% Lehrende)
- Sinnvoll ist eine Mischung aus beiden Prüfungsformen (31% Studierende, 35% Lehrende)
(Studierende n=429, Lehrende n=144).
Das Thema Eigenleistung ist auch für Studierende sehr wichtig.
Welche Optionen für neue Prüfungsformen bestehen? Welche Prüfungsformen sind im Zeitalter von textgenerativer KI möglich sowie didaktisch und praktisch sinnvoll? Dazu haben sich die Referentinnen entschieden, das System der Lerntaxonomie neu zu beurteilen und zu diskutieren, an welchen Stufen die neuen Prüfungsformen überhaupt praktisch umzusetzen sind.
Die wichtigsten Takeaways aus diesem Vortrag:
- Es gibt nicht die (einfache) Lösung.
- Die Mischung macht es und Prüfungsformate werden in den nächsten Jahren einem ständigen Anpassungsprozess unterlegen sein.
- Man sollte eher mit der KI arbeiten als gegen sie.
- Das bedeutet auch, dass die Nutzung von KI nicht bedeutet, dass keine Eigenleistung erbracht werden muss.
ChatGPT im Studium: Fluch oder Segen für Studierende?
Das Forschungs- und Innovationslabor Digitale Lehre (FIDL) hat in einer aktuellen Studie Einsatz, Nutzen und Grenzen von Large Language Modellen (LLMs) wie ChatGPT an bayerischen HAWs untersucht.
In dem Vortrag wurde nun die Studierendenperspektive näher beleuchtet. An der Datenerhebung mit Online-Fragebogen haben 1177 Studierende teilgenommen, zusätzlich wurden sieben leitfadengestützte Interviews geführt. Gefragt wurde u.a. nach Problemen bei der Nutzung von ChatGPT. Genannt wurde hier, dass keine genauen Antworten gegeben werden, Aspekte des Datenschutzes verletzt würden und bei der Vollversion zu hohe Kosten für Studierende aufkommen würden.
Genannte positive Änderungen sind z.B. Zeitersparnis und Effizienzsteigerung, Förderung von kritischem Denken und Kompetenz im Umgang mit KI sowie eine mögliche Verbesserung von Prüfungsformaten. Zusammenfassend kam heraus, dass Studierende sowohl Risiken in der Nutzung von ChatGPT sehen, andererseits aber auch offen für den Einsatz von LLMs in Studium und Lehre sind.
Die gesamte Studie gibt es hier: https://fidl.education/projekte-programme/ki-studie/
KI und digitale Autonomie in Wissenschaft und Bildung
Amrei Bahr, Maximilian Mayer und Benjamin Paassen haben gemeinsam das Netzwerk “KI und digitale Autonomie in Wissenschaft und Bildung”, kurz KIAuBi, gegründet und in dem Vortrag ihre Ansätze und Visionen vorgestellt.
Sie betonen die große Bedeutung KI-gestützter Technologie für die Zukunft des Lehrens und Lernens und die daraus folgende Notwendigkeit, diese Technologien auch an Hochschulen zugänglich zu machen. Dies lässt sich zum Beispiel mit dem Erwerb von Lizenzen bei Open-AI umsetzen, was jedoch die Autonomie der Hochschulen gefährden würde, so die Referent*innen.
Folgende digitale Abhängigkeitsrisiken von KI-Anbietern werden aufgeführt: vertraglich, wettbewerblich, Gefahr der Gewohnheit, Handlungsmacht der Anbieter, Möglichkeiten des Deskillings.
Sie empfehlen daher, Open-Source-Technologien zu nutzen. Kurzfristig sollte in den Hochschulen ein Dialog darüber geführt werden, welche KI-Nutzung eigentlich gewollt ist. Mittelfristig sollen auf Landes- oder Bundesebene Open-Source-Sprachmodelle heruntergeladen und auf einer eigenen Hardware betrieben werden, um diese dann langfristig weiter zu trainieren. Bei einem Nichthandeln der Hochschulen würde sich die Machtkonzentration bei den KI-Großunternehmen verfestigen und die genannten Abhängigkeiten verstetigen.
Wir hoffen, auch für Sie ist der ein oder andere interessante Aspekt dabei. Zum Nachschauen: Die Aufzeichnungen aller Veranstaltungen werden im Verlauf der nächsten Tage auf dem YouTube-Kanal des Hochschulforums für Digitalisierung veröffentlicht.
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