Call for Papers: Neue Schreibformen – neue Denkformen – neue Lernformen? Bloggen in geisteswissenschaftlichen Lehrszenarios

16 Mai, 2012

von Jan Hecker-Stampehl, Humboldt-Universität zu Berlin Ein wesentlicher Teil der geisteswissenschaftlichen Forschungspraxis hat mit dem geschriebenen Wort zu tun basiert – seien es etwa historische Quellen oder die analysierte Primärliteratur. Das Schreiben selbst ist ein wichtiger Teil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. Das Schreiben wird aber zur einsamen Arbeit des Genies im stillen Kämmerlein stilisiert. Schreiben ist Kunst, […]

von Jan Hecker-Stampehl, Humboldt-Universität zu Berlin

Ein wesentlicher Teil der geisteswissenschaftlichen Forschungspraxis hat mit dem geschriebenen Wort zu tun basiert – seien es etwa historische Quellen oder die analysierte Primärliteratur. Das Schreiben selbst ist ein wichtiger Teil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses. Das Schreiben wird aber zur einsamen Arbeit des Genies im stillen Kämmerlein stilisiert. Schreiben ist Kunst, aber eher monologischer Art. Der in den letzten Jahren zu beobachtende Zuwachs bei den geisteswissenschaftlichen Blogs und auch deren zunehmende Nutzung in Lehrzusammenhängen könnten hier eine Veränderung überkommener Selbstbilder mit sich bringen. Zudem bergen die wissenschaftlichen Blogs die Chance, auch Nischenthemen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Neben dem Erlernen der grundlegenden wissenschaftlichen Arbeitstechniken erachten es viele geisteswissenschaftliche Lehrende als eine ihrer hehrsten Aufgaben, diese Kunst des wissenschaftlichen Schreibens zu vermitteln. Gerade im deutschsprachigen akademischen Setting gilt zudem in den Geisteswissenschaften nach wie vor, dass der Autor/die Autorin in wissenschaftlichen Texten ein hohes sprachliches Niveau erreichen muss, um den Erwartungen gerecht zu werden. Man sollte möglichst differenziert und variantenreich den Gegenstand der Analyse darlegen und auseinandernehmen. Auf Verständlichkeit wird dabei nicht unbedingt Wert gelegt. Wer „schön“ schreibt, läuft nach dieser Deutung zu sehr Gefahr, die Dinge zu vereinfachen.

In Blogs hat sich ein von diesem akademisch-schweren Schreibstil abweichender Jargon etabliert. Hier geht es essayistisch bis polemisch zu, es wird in vielen Fällen eher eine journalistische Sprache gepflegt, die zwar ebenfalls um sachlich angemessene Analyse bemüht ist, aber einen größeren sprachlichen Variantenreichtum mit sich bringt. Man lässt dem Blogger „mehr durchgehen“ und tatsächlich erweist sich das Bloggen für Studierende wie auch für Forschende zunehmend als Schulungsmöglichkeit für eine andere Art, über Wissenschaft zu schreiben. Damit einher geht auch eine mögliche Öffnung der academia hin zu einer breiteren Öffentlichkeit.

Ich möchte die Entwicklung in der geisteswissenschaftlichen Blogosphäre konkret am Beispiel der Geschichtswissenschaft vorstellen, Trends diskutieren und über eigene Erfahrungen mit dem Einsatz von Blogs in Lehrszenarios berichten. Mich treibt dabei vor allem um, welche Art von Inhalten sich in Lehrveranstaltungs-Blogs angemessen umsetzen lassen. Das Zusammenschreiben von Handbuchwissen ist ja nicht deswegen besser, wenn es dann in Blogform erscheint. Wo liegen noch ungehobene Schätze, wo die verborgenen Chancen des wissenschaftlichen und des lehrbezogenen Bloggens? Bewirken die neuen Schreibformen auch neue Lernformen? Erlauben Blogs möglicherweise andere Sichtweisen auf die jeweiligen Inhalte? Wie kann man wissenschaftliches Bloggen einsetzen, um selbstgesteuerte Lernprozesse der Studierenden zu ermöglichen?

Kontrastive und ergänzende Beispiele aus anderen Disziplinen wären in der Diskussion sehr hilfreich.

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