Über den Mehrwert von virtuellen Lehrveranstaltungen

26 Dez, 2012

[Gastbeitrag von Tobias Ebbing] — Der Mehrwert den die Einführung von virtuellen Lehrveranstaltungen für einen Studiengang mit sich bringt mag vielen möglicherweise nicht von vornherein ersichtlich sein, oder aber Sie sind bereits ein glühender Befürworter der Online Lehre und suchen nur noch nach Argumenten, um diese Verbesserung auch den, zuoberst erwähnten, nicht bereits davon Überzeugten […]

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Avatar und Abenteuer: tragbare drahtlose Webcam (1994)

[Gastbeitrag von Tobias Ebbing] — Der Mehrwert den die Einführung von virtuellen Lehrveranstaltungen für einen Studiengang mit sich bringt mag vielen möglicherweise nicht von vornherein ersichtlich sein, oder aber Sie sind bereits ein glühender Befürworter der Online Lehre und suchen nur noch nach Argumenten, um diese Verbesserung auch den, zuoberst erwähnten, nicht bereits davon Überzeugten näher zu bringen. Mit dem folgenden Artikel soll in Worte gefasst werden, woher die Begeisterung für virtuell abgehaltene Vorlesungen unter anderem rührt und warum sie einen Mehrwert für alle, technische wie auch nicht technisch orientierte, Studiengänge darstellen.

Als Beispiel für eine virtuelle Vorlesung wird im Folgenden ein rein Internetbasierter Kurs der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR)  unter Nutzung von Second Life und Moodle eingeführt. Zur Wahl von Second Life als Konferenzmedium finden sich hier mehr Informationen. Mit der Zeit ändern sich aber bekanntlich die Mittel schnell und eventuell ist zu dem Zeitpunkt, an dem Sie diesen Artikel lesen ein neues Tool geeigneter. Die Argumentation bleibt hingegen unabhängig von den gewählten Mitteln aktuell. Wir werden uns zuerst gemeinsam einen Überblick verschaffen, worum es sich bei dieser Unterrichtsform und Umsetzung mit Second Life überhaupt handelt und anschließend Gründe finden, weswegen das einsetzen dieser Methode sinnvoll ist und einen Mehrwert für die Beteiligten und die Hochschule generell darstellt um abschließend einige mögliche Barrieren bei der Einführung zu evaluieren.

Der Referenzkurs findet also in der virtuellen Realität des „Second Life“ statt, in der die HWR über „Grundbesitz“ verfügt auf dem ein ebenso virtueller Campus mit Hörsaal sowie konventionellen und unkonventionellen Mitteln für Teamarbeit, zur Ermittlung von Meinungsbildern wie dem Opinionator der bereits im weiter oben verlinkten Artikel beschrieben wurde uvm., die so nur in einer virtuellen Realität möglich sind, errichtet wurden.  Die Studenten nehmen an diesem Kurs mit ihren Avataren, sprich nach ihren Wünschen gestalteten digitalen Repräsentanten ihrer selbst, teil. Diese können sie mittels der einfachen Steuerung die einem üblichen Computerspiel nachempfunden wurde, frei im virtuellen Raum bewegen und sie verleihen ihnen Stimmen durch Mikrofon und Chat, so dass ein echtes „Klassenraumgefühl“ entsteht, wenn sich alle in den Hörsaal begeben und auf Referenten oder die virtuelle Tafel schauen. Neben den Präsenzveranstaltungen im Second Life bietet es sich an den Kurs mit einer Lehrplattform wie im vorliegenden Fall Moodle zu ergänzen. Dort ergeben sich im parallel genutzten Forum, angeregt durch wöchentliche Fragestellungen, lebhafte Erfahrungsberichte und Diskussionen. Hier sind die Studenten die sich während unseres Referenzkurses gerade im Praktikum befinden in stetem Kontakt miteinander und dem Dozenten, so dass sie sich zeitnah gegenseitig Ratschläge geben. Die Nutzung von (verschiedenen, spontan wechselbaren) Avataren schafft eine gewisse Distanz zu den Personen die tatsächlich hinter dem Computer sitzen, was so die einmalige Gelegenheit ermöglicht ohne große Verkleidung Rollenspiele zum nachspielen und nachempfinden von geschehenen Situationen zu gestalten und z.B. neue Wege mit Konfliktsituationen umzugehen zu erproben, ohne dass die „eigentliche Person“ die Glaubwürdigkeit des Schauspiels mindert. (Einfacher gesagt: der digitale Dino im Anzug gibt noch immer einen besseren „bösen Boss“ ab, als der Klassenclown in Hawaiihemd).

Gerade Studenten in technisch orientierten Studiengängen sind meines Erachtens aufgrund ihrer natürlichen bzw. studiengangsbedingten Affinität zu Computern und neuen Technologien geradezu geschaffen für eine solche virtuelle Lehrveranstaltung. Durch die Zusammenkunft vieler technikbegeisterter Studenten, die keine Berührungsängste mit diesem (gar nicht mehr ganz so) neuen Medium haben, könnten sich in einem solchen virtuellen Raum in dem Mitarbeit gefördert wird noch weitere Möglichkeiten der Nutzung von virtuellen Unterrichtsräumen herauskristallisieren und so die Zukunft der Lehre nachhaltig mit studentischer Mithilfe gestaltet werden. Auch sollten vor allem die technikaffinen Studenten, die in Zukunft den strukturellen Ausbau der Globalisierung mitgestalten werden, meines Erachtens spätestens im Studium mit mindestens einem Medium der digitalen Zusammenkunft ohne physische Präsenz am gleichen Ort vertraut gemacht werden. Dafür bietet sich ein so gehaltener Kurs geradezu an, denn so werden Probleme und Vorteile solcher „Konferenzen“ von den Studierenden selbst erlebt anstatt nur zu studiert. Für alle Studierenden ist es von großer Bedeutung, schon vor der ersten Berührung mit solchen Werkzeugen im Berufsleben, die Scheu schon in „geschütztem Raum“ zu verlieren um mit virtuellen Konferenzen als bereits bekanntes Medium auch später geübt umgehen zu können. Selbstverständlich erhöht das Fehlen der Notwendigkeit einer zentralisierten physischen Präsenz den Bewegungsradius der Studenten enorm. Auch während eines längeren Auslandsaufenthaltes wäre es den Studenten mit einem solchen Angebot möglich, einige Credits zu sammeln.
Insbesondere bei Kursen, die auch betreuenden Zwecken dienen, wie der Referenzkurs der Praktikumsbetreuung, ist die zeitnahe Revision  von Geschehnissen von Bedeutung. Eventuell auftretende Probleme können gleich mit der Gruppe und/oder dem Dozenten besprochen werden, anstatt auf die lange Bank geschoben und beim, möglicherweise noch Wochen vorausliegenden, realen Zusammentreffen der Studenten mit verstreuten Aufenthaltsorten eventuell als „nicht mehr wichtig“ abgetan zu werden.

Und nicht zuletzt wäre die Einführung eines solchen Onlinekurs-Angebots natürlich auch eine enorme Aufwertung jedes Studienganges in Richtung zukunftsweisender Lehrmethoden ohne große Investitionen tätigen zu müssen, denn für den Aufbau eines solchen Kursangebotes braucht es nicht viel mehr als ein Konzept zum Kurs, wie es auch für gewöhnliche Kurse benötigt wird und ein geeignetes Mittel bzw einen „Ort“ zur Zusammenkunft. Im Fall dieses Kurses wäre dies „Grundbesitz“ im Second Life um darauf eine Lehrlandschaft zu errichten. Gleichwohl könnte hier aber auch von anderen Mitteln wie Adobe Connect oder der mit moodle harmonierenden Open Source Alternative OpenDesktop oder dem Mittel Ihrer Wahl die Rede sein. Wie einführend erwähnt bleiben wir hier allerdings bei unserem Second Life Beispiel. Die Nutzung von Second Life ist für die Studenten kostenlos und stellt keine hohen Anforderungen an die Computer. Es entstehen folglich beim Einsatz von Second Life auch keine finanziellen oder technischen Barrieren für die Studenten. Dies trifft auch auf die Einrichtung der Software zu, die für jeden, insbesondere aber für Studierende eine technischen Studienganges keine Probleme mit sich bringen sollte. Der ausnahmslose Erfolg der International Business Administration-Studierenden bei der Nutzung im Referenzkurs spricht für sich.

Wie aus den vorhergehenden Zeilen hervorgeht, ist die Einführung eines solchen Kurses für technische Studiengänge, aber auch für alle anderen Studienrichtungen, von großem Vorteil und die Ausweitung des Angebots an virtuellen Unterrichtsmethoden sollte von großem Interesse für die Universitäten und Hochschulen sein, da sie bei geringem notwendigen Input viele Vorteile mit sich bringen. Insbesondere auch, weil das sicherlich erst der Beginn von viel größeren onlinegestützten Lehrmethoden darstellt und es gerade auch für technisch orientierte Studiengänge fatal wäre, schon am Anfang den Anschluss zu verpassen.

Als Student freue ich mich dann sehr darauf, Ihrem oder Deinem Avatar bald in einem virtuellen Kurs begegnen zu können und wünsche bis dahin viel Spaß auf der Entdeckungsreise durch die neu gewonnenen Möglichkeiten!

Tobias Ebbing, Buenos Aires | Gastbeitrag

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