Übernahme von H5P durch D2L

15 Jul, 2024

D2L gab am 9. Juli die Übernahme der H5P Group bekannt. Diese Akquisition erweitert D2Ls Angebot an Kursentwicklungstools - aber was bedeutet es für die Hochschullandschaft?
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Wahrscheinlich haben viele von Ihnen die Meldung vom 9. Juli, dass D2L jetzt H5P übernimmt, aktiv verfolgt und in den Foren gelesen was dahinter steckt. Hier wollen wir ein paar Punkte zusammenfassen.

Desire2Learn (D2L) ist ein kanadisches Unternehmen, das 1999 von John Baker gegründet wurde und die Lernmanagementplattform Brightspace anbietet. Im Jahr 2012 erhielt Desire2Learn (D2L) eine Investition von 80 Millionen US-Dollar, um das Wachstum und die Produktentwicklung voranzutreiben und konnte so seine Präsenz international ausweiten.

H5P wurde 2013 von Joubel, einem norwegischen Softwareunternehmen, ins Leben gerufen. Es ist ein Open-Source-Tool zur Erstellung interaktiver Lerninhalte. Die Abkürzung H5P steht für “HTML5 Package”. Es bezieht sich auf das Framework, das es ermöglicht, HTML5-Inhalte sehr einfach zu erstellen und zu teilen. Es unterstützt eine Vielzahl von interaktiven Content-Typen und kann einfach in bestehende Lernplattformen oder Webseiten integriert werden.

Skepsis gegenüber der Übernahme?

D2L versichert, dass H5P weiterhin Open Source bleiben und intensiv weiterentwickelt wird. In der Stellungnahme von D2L heißt es zur Frage “Will H5P continue to be open source and continue to be developed?” zwar “Yes, all parts of H5P that are open source today will continue to be open source and will be maintained and improved at a greater pace than before.” Der Zusatz “…that are open source today” lässt jedoch Raum für Interpretation. Welche Teile könnten in Zukunft möglicherweise nicht mehr Open Source sein?

D2L versichert weiter, dass “all existing integrations with other LMS platforms will continue to be maintained.” Dies soll garantieren, dass aktuelle Nutzer*innen keine Unterbrechungen erleben und H5P weiterhin in verschiedenen Lernmanagementsystemen genutzt werden kann. Doch was bedeutet “all existing integrations” genau? Bestehende Nutzer können zwar auf Kontinuität hoffen, aber die Erweiterung der Kompatibilität mit weiteren Plattformen bleibt fraglich.

Im Forum “Moodle an Hochschulen” und in seinem Artikel beleuchtet Oliver Tacke, ein prominentes Mitglied der H5P-Community, die möglichen Beweggründe der Übernahme. Demnach könnte ein Open-Source-Produkt wie H5P helfen, die Reichweite und Attraktivität von Brightspace zu erhöhen und einige Nutzende vielleicht sogar zu einem Wechsel der Lernplattform zu bewegen. Damit sich die Kaufsumme amortisiert, könnte D2L möglicherweise zusätzliche kostenpflichtige Services oder Premium-Features entwickeln. Exklusive Komponenten könnten Umsatz generieren oder H5P in späteren Versionen nicht mehr Open-Source sein.

Oder will D2L hier die Talente von H5P an sich binden und einen entscheidenden Fuß in Europa haben?

Oliver Tacke äußert zudem in seinem Blogbeitrag “My view on “D2L all in on H5P”: „The acquisition will no doubt inject more resources into H5P development, but it also raises questions about the future of open-source contributions and the direction of the project.” Er fügt hinzu: „The acquisition could lead to innovation at a faster pace, but there’s a fine line between innovation and monetization.

Gutes aus zwei Welten

Ein wesentlicher Vorteil der Kommerzialisierung von Open Source Software ist, dass in einem rein freiwilligen Umfeld nur wenige Entwickler darüber entscheiden, welche Funktionen hinzugefügt werden und welche nicht. Wenn jedoch bestimmte Funktionen fehlen, können diese nun gegen Bezahlung in Auftrag gegeben werden. Hätte die Entwicklung von Open Source Software ausschließlich durch Personen stattgefunden, die dies nur nebenbei zu ihrer regulären Arbeit tun, wäre niemals die Vielfalt und Menge an Open Source Software entstanden, die wir heute haben. Ein Blick auf andere Open-Source-Projekte, die von kommerziellen Anbietern übernommen wurden, zeigt verschiedene Entwicklungen. Nicht alle sind negativ. Oft fließen neue Features und Verbesserungen direkt wieder in das von der Community getragene Projekt zurück. 

Bisherige Übernahmen zeigen, dass kommerzielle Anbieter oft versuchen, ihre eigenen Angebote durch den Erwerb etablierter Open-Source-Projekte zu erweitern, was sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Community und die Weiterentwicklung der Projekte haben kann.

Red Hat wurde 2019 von IBM für 34 Milliarden Dollar übernommen und bleibt weitgehend unabhängig, wobei es seine Arbeit im Open-Source-Bereich fortsetzt. GitHub wurde 2018 von Microsoft für 7,5 Milliarden Dollar gekauft und bleibt die führende Plattform für Open-Source-Projekte, jetzt mit mehr Microsoft-Integrationen. MySQL wurde 2008 von Sun Microsystems übernommen und 2010 von Oracle gekauft. Es bleibt ein wichtiger Bestandteil von Oracle. Aber einige Entwickler gründeten MariaDB als offene Alternative.

Die Zukunft der H5P-Integration in Moodle

Es bleibt spannend zu beobachten, wie Moodle auf die jüngsten Entwicklungen in der Bildungslandschaft reagieren wird. Die Integration von H5P in Moodle verlief nicht ganz spannungsfrei, und Gründer Martin Dougiamas hat sich bislang eher zurückhaltend zur Zukunft dieser Integration geäußert. Gleichzeitig stellt D2L mit seiner Plattform Brightspace einen direkten Konkurrenten zu Moodle dar, was die Situation nicht gerade vereinfacht. Dougiamas selbst hat sich bisher nicht direkt zu den Herausforderungen geäußert, sondern lediglich Reposts geteilt, die darauf hinweisen, dass viele Fragen noch unbeantwortet sind. Es wird interessant sein zu sehen, welche strategischen Entscheidungen Moodle in den kommenden Monaten treffen wird.

Insgesamt können wir als Hochschule optimistisch bleiben. Wir nutzen zudem das H5P-Plugin, statt auf die Integration zu setzen. Es ist unwahrscheinlich, dass sich hier schnell etwas ändert. Darüber hinaus zeigt die Stärke und Kreativität der Open-Source-Gemeinschaft, dass auch in Zukunft innovative und frei zugängliche Lösungen entstehen werden.

Quellen und weiterführende Links:

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