Agilität und KI in Hochschulen – Bericht von der GMW 2024

24 Okt, 2024

Die gemeinsame Tagung von GMW und CampusSource stand dieses Jahr unter dem Motto "Agilität und KI in Hochschulen" und befasste sich mit der Veränderungs- und Innovationsfähigkeit von Hochschulen im Kontext der digitalen Transformation von Lehre und Forschung
Startfolie GMW

Die Jahrestagungen der GMW bieten vor allem Nachwuchswissenschaftler*innen eine Plattform, um ihre Forschungsergebnisse zu präsentieren, Feedback von erfahrenen Expert*innen zu erhalten und sich im Bereich digitaler Bildung zu vernetzen. Dabei fördert die Veranstaltung den Austausch zu aktuellen Entwicklungen. Sie fand bisher schon über 30 mal statt.

GMW

Die Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) unterstützt die Erforschung und Nutzung von Medien in der Hochschulbildung. Sie fördert mediengestützte Lernszenarien, vernetzt Theorie und Praxis und stärkt den Austausch zwischen Wissenschaft und Anwendung. Die GMW organisiert wissenschaftliche Tagungen, veröffentlicht Fachliteratur und bietet Weiterbildungsangebote an. Sie ist als gemeinnützig anerkannt und führt eine eigene Buchreihe. Ein besonderes Anliegen ist die Förderung des (wissenschaftlichen) Nachwuchses.

CampusSource

CampusSource orientiert sich an der Vision der EU: „Open Innovation, Open Science, Open to the world“. Sie formulieren für sich selbst: „Unsere Mission ist die Förderung von OpenSource & Open Access in Forschung und Lehre“. Über ein Internetportal bietet CampusSource entsprechende Informationen sowie eine Börse für (Hochschul)-Entwicklungen zu Software-Werkzeugen und -Modulen an. Zudem unterstützt CampusSource Netzwerke und Communities, die Open Source-Software weiterentwickeln. Beratung, Veranstaltungen und Dokumentationen sind Teil des Portfolios.

ETH

Der diesjährige Gastgeber der GMW, die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich ist eine technisch-naturwissenschaftliche universitäre Hochschule. Sie wurde 1855 gegründet, hat derzeit 73 Studiengänge und belegt regelmäßig Spitzenplätze in Universitätsrankings. Das ETH AI Center ist das zentrale Kompetenzzentrum für Künstliche Intelligenz an der ETH Zürich. Es vereint Forschende aus verschiedenen Disziplinen – umso passender war es als Veranstaltungsort der diesjährigen Tagung.

Workshops am Tag 1

Vor Ort nahm ich zuerst am Workshop „Digitale Transformation durch Veränderungsfähigkeit und Rollenwandel“ teil. Hannah Lutz-Vock von der Frankfurt University of Applied Sciences und Franziska Brenner der Universität Leipzig gaben ein Einblick in ihre Forschungsprojekte. Dabei wurden unterschiedliche Rollen definiert und überlegt, wie man diese verschiedenen Personen am Besten im Umgang mit der KI unterstützen kann. Mehrheitlich ging es darum, dass positive Erfahrungen aus der Fachdisziplin positiver wahrgenommen werden als didaktische Beratungen und um Wege, diese zu positionieren.

Der zweite Workshop fand hybrid statt, Vortragende/ Workshopleitende und Teilnehmende waren sowohl vor Ort als auch hybrid zugeschaltet. Mitwirkende aus 12 Hochschulen haben die „Didaktische Handreichung zur praktischen Nutzung von KI in der Lehre“ (dort namentlich erwähnt) gemeinsam entwickelt und im Workshop vorgestellt. Später ging es um Vorschläge für weitere Kapitel, die Bereitschaft mitzuwirken und die beste Präsentationsmöglichkeiten der Use Cases. So gab es aus dem Publikum den Vorschlag, gesammelte Beispiele nicht in Datenbanken zu erfassen und abzufragen, sondern eigene KI-Anwendungen damit zu füttern und so Abfragen und vage Ideen mit konkreten Beispielen zu verknüpfen.

Der nächste Morgen startete mit der Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft. Neben der Wahl des Vorstandes ging es darum, wie sich die GMW zukünftig in den sozialen Medien präsentieren wird (Mastadon statt X). Langsam drängt auch da das Thema der Nachwuchsarbeit (die aktiven Mitwirkenden würden den Vorstand gern verjüngen).

Keynote: KI= Evolution oder Disruption?

Kerstin Mayrberger von der Universität Hamburg behandelte in der KeynoteAmbidextrous Agile Educational Leadership in der Digitalität: Gemeinsam mutig handeln im Spannungsfeld von Stabilität und Wandel in der Hochschulbildung die Bedeutung der Hochschulbildung in einer von globalen Krisen und Unsicherheiten geprägten Welt. Es wurde aufgezeigt, dass die Hochschulbildung auf zukünftige Herausforderungen vorbereiten sollte und wie das durch eine werte- und prinzipienbasierte Führung gelingen kann.

Im Vortrag wurde auch dargelegt, dass alte Muster des Denkens und Handelns in die Krise kommen und
neue entstehen (vergl. Stadler 2018). Vorgestellt wurde das Konzept des Ambidextrous Agile Educational Leadership (AAEL), ein Rahmenwerk für Hochschulen in der digitalen Ära, das agile und ambidextre Ansätze fördert, um die Innovations- und Anpassungsfähigkeit zu stärken. Es wurden Beispiele aus Forschung und Praxis zur Anwendung von AAEL in der Lehre und Organisationsstruktur präsentiert.

Konkret wurde über folgende Punkte gesprochen:

  • Was wird aus Projekten übernommen, wie kann man Projekte und Kernbereiche vereinen, bewahren und verändern?
  • Wie kann man Projekte sequenziell, strukturell und kontextuell einbinden und dabei Dualitäten überbrücken?
  • Wie kann man das Neue ins Bestehende integrieren? Wie kann man Komplexität selbstverständlicher  integrieren?

Und wie gelingt das mit generativen KI-Anwendungen? Es wurden die Chancen und Grenzen des Ansatzes auch in Bezug auf die gKI diskutiert und die Notwendigkeit einer schrittweisen Entwicklung hin zu einer zukunftsfähigen Hochschulbildung betont. Dabei ging es auch darum, was frühere technologische Veränderungen von der Einbindung der künstlichen Intelligenz unterscheidet. KI stellt dabei nicht nur eine graduelle Verbesserung bestehender Systeme dar, sondern bewirkt eine tiefgreifende Umwälzung der Strukturen und Prozesse in der Hochschulbildung, die typisch für disruptive Technologien ist.

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Agile Educational Leadership

Die Entwicklung und Verfeinerung des Rahmenwerks Agile Educational Leadership (AEL) in der Post-Digitalität ist ein zentrales Forschungs- und Entwicklungsprojekt von Prof. Dr. Kerstin Mayrberger an der Universität Hamburg. Dieser Ansatz wird sowohl theoretisch als auch empirisch untermauert und für die praktische Anwendung im Bildungsbereich, insbesondere in der Hochschulbildung, adaptiert.

Das AEL-Buch entstand als Teil des DUA-Projekts, welches sich mit den Herausforderungen der Digitalisierung und Ambidextrie in formalen Bildungskontexten auseinandersetzt. Das Buch ist online frei verfügbar (oder in der Papierveriante bestellbar) und ermöglicht über die die Website des DUA-Projekts den Austausch und die Diskussion aktueller Entwicklungen bezüglich des AEL-Ansatzes. Die Kurzverion des Buches finden Sie in den u.a. Links.

Vortragsreihe „Organisationsentwicklung“

Community of Practice

Beim Vortrag „Bildung 4.0: Community of Practice und partizipative Ansätze bei der Integration von generativer KI an der Goethe-Universität Frankfurt“ von Ulrike Mascher und Julia Schmitt wurden zentrale Themen behandelt, die sich mit den Chancen und Risiken auseinandersetzen, die verschiedene Studien aufzeigen. Es wurde betont, dass die Geschwindigkeit der technologischen Veränderungen in der Bildungslandschaft eine neuartige Herausforderung darstellt. Um potenzieller Ablehnung entgegenzuwirken, wurde die Bedeutung von Qualifizierung hervorgehoben. Dabei sind praxisbezogene Angebote essentiell, um sowohl Lehrkräfte als auch Lernende effektiv auf die Integration und Nutzung generativer KI-Technologien vorzubereiten.

Es wurden diverse Themenfelder an Hochschulen definiert, die von KI beeinflusst werden und darüber diskutiert, ob man auch der KI eine eigene Rolle/eigene „Persona“ als selbstständiger Akteur in der Community of Practice zugestehen sollte.

(Un-)intendierte Wirkungen von Projekten

Lorenz Mrohs von der Universität Bamberg referierte über seine Forschung „Projekte als agiler Innovationsraum? (Un-)intendierte Wirkungen und Herausforderungen in hochschulischen Lehrentwicklungsprojekten“ und gewann damit den diesjährigen Vortragspreis. Er führte 20 qualitative Interviews über die Schwierigkeiten, sich mit nichtintendierten Randbedingungen auseinanderzusetzen.

Es wurde die Rolle von Projekten beleuchtet, die – so die Theorie – oft als Puffer fungieren wenn infrastrukturelle Ressourcen nicht ausreichend vorhanden sind, um anstehenden Herausforderungen direkt begegnen zu können. Dabei ist jedoch die Projektlaufzeit oft zu kurz für einen Kulturwandel. Daraus ergibt sich die Frage, ob Projekte als Innovationsräume betrachtet werden können. Projekte bringen oft Akteure aus diversen Kulturen zusammen, in etablierten Strukturen werden dabei frühe Innovatoren häufig als Störfaktoren wahrgenommen, deren Ideen gegen den Status quo gehen. Es bedarf klarer Strategien, um Innovatoren effektiv in die Entwicklungsprozesse von Hochschulen zu integrieren und Widerstände zum starren Systemerhalt aufzubrechen.

Auch wenn KI kein zentrales Thema war, lassen sich einige Erkenntnisse aus dem Forschungsansatz übertragen.

Szenarioanalyse

Auch der Vortrag „Szenarioworkshops – Eine (methodische) Synthese aus Forschungs- und Beteiligungsvorhaben im Hochschulkontext“ behandelte nicht direkt KI-Anwendungen. Anne Vogel und Mariane Liebold erklärten den Nutzen der Szenarioanalyse als partizipative Methode in der Hochschuldidaktik. Der Vortrag zeigte wie solche Szenario- und Transferworkshops im großen Umfang vorbereitet, durchgeführt und ausgewertet werden. Der Text erläutert auch die Herausforderungen, denen Hochschulen durch Veränderungen gegenüberstehen und ihre oft langsame Anpassungsfähigkeit aufgrund von festen Organisationsstrukturen und kulturellen Werten. Eine Empfehlung aus dem Projekt ist es, die Potentiale von Beteiligungsverfahren stärker zu nutzen. 

Vortragsreihe „Kompetenzen von Lehrenden“

Lernlabor Hochschuldidaktik

Der Vortrag „Bildung, Praxistransfer und Kooperation. Erfahrungen aus einem regionalen Netzwerk zur Kompetenzentwicklung für die Hochschullehre.behandelte den Aufbau eines regionalen Netzwerks zur Lehrentwicklung in Zürich. Verschiedene Hochschultypen arbeiten zusammen, um durch Weiterbildung und Informationsveranstaltungen die digitale Transformation in der Hochschullehre zu fördern. Der Dialog zwischen Personen aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten spielt dabei eine zentrale Rolle. Es wurden sowohl Ergebnisse als auch Herausforderungen und Grenzen dieser kulturübergreifenden Vernetzung vorgestellt. Der Vortrag betonte die Wichtigkeit, unterschiedliche Kulturen an den verschiedenen Hochschulen niedrigschwellig kennenzulernen.

Das Buch zum Projekt: „Bildung, Praxistransfer und Kooperation“ findet sich bei den weiterführenden Links. Irritierend beim Vortrag war für mich die künstlerische Gestaltung in grün/gelb – das war schon sehr an der Grenze der Barrierefreiheit und für nicht mehr ganz junge Augen sehr anstrengend.

KI@FU:Agilität für Bildungsbereich

Der Vortrag „Towards a Literacy of AI Practice in Education: Agile Methoden zur KI-Kompetenzentwicklung für Hochschullehrende“ von Jeelka Reinhardt und Alexander Schulz der FU Berlin behandelte die bedeutenden Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz auf den Bildungsbereich, insbesondere auf Lehren, Lernen und Prüfen. Hochschullehrende sind verstärkt darauf angewiesen, KI in ihre Praxis zu integrieren. Eine Befragung in einem verwandten Bereich zeigte, dass Lehrende mehr praktische Unterstützung und Orientierung benötigen.

Dabei sind vor alle drei Kernkompetenzen (vergl. SNAIL) zu beachten:

1. Verständnis der technischen Grundlagen
2. Kritische Reflexion: Chancen und Grenzen, ethische und rechtliche Aspekte
3. Practical Skills (effektive Nutzung von Tools)

Aufgrund des raschen Fortschritts in der KI-Entwicklung wurde vorgeschlagen, agile Methoden zur Weiterbildung zu nutzen, um Angebote flexibel und iterativ anzupassen. Dies würde Lehrenden helfen, die Möglichkeiten und Herausforderungen der KI effektiver zu nutzen.

Entwicklung eines Curriculums

Der Vortrag „Entwicklung eines Curriculums zur Förderung von AI Literacy bei Dozierenden“ von Stefanie Schallert-Vallaster, Josef Buchner und Martin Hofmann von der Pädagogischen Hochschule St. Gallen behandelte die Entwicklung eines Curriculums zur Förderung von Grundwissen über Künstliche Intelligenz (KI) unter Dozierenden an Hochschulen. Es wurde ein Curriculum basierend auf einem etablierten Kompetenzmodell für AI-Literacy entwickelt, in Zusammenarbeit mit Expert*innen aus verschiedenen Bereichen. Dieses Curriculum wird in einer Fortbildungsveranstaltung eingesetzt. Durch zyklische Durchführung und Evaluierung dieses Curriculums soll sowohl die praktische Anwendung verbessert als auch ein theoretischer Beitrag zur Förderung von KI-Wissen im Hochschulbereich geleistet werden.

Keynote Abschlusstag: Ethel an der ETH

Im Vortrag wurde die seit Januar 2024 an der ETH Zürich eingesetzte Ethel open-source Infrastruktur für KI-Unterstützung der Hochschullehre vorgestellt. Es wurden Einblicke in die Praxiserfahrung aus der Entwicklung und dem ersten Betrieb gegeben. Gerd Kortemeyer erläuterte, wie gut das Bereitstellen von Feedback zu Hausübungen ankam und zeigte auf, welche Herausforderung die Assistenz in der Benotung handschriftlicher Klausuren inkludiert. Dabei wurden auch die Kosten von verschiedenen Bewertungsmethoden – mit und ohne Kl – gegenübergestellt und der tatsächliche Aufwand erläutert. Es war sehr beeindruckend, welche Energie hier an der ETH Zürich in das Projekt geflossen ist.

Fazit

Die Tagung zum Thema „Agilität und Kl in Hochschulen“ hat eindrucksvoll gezeigt, wie tief die künstliche Intelligenz in den Hochschulbetrieb integriert ist. Die übersichtliche Größe der Teilnehmendengruppe förderte einen intensiven Austausch und ermöglichte es, tief in die Materie einzutauchen. Obwohl die Balance zwischen Anwendbarkeit und Wissenschaftlichkeit grundsätzlich gut gehallten wurde, führte der Fokus auf wissenschaftliche Rigorosität zu einigen thematischen Überschneidungen.

Die Konferenz war eine wertvolle Lerngelegenheit und hat mich wieder einmal motiviert, weiterhin am Thema dranzubleiben. Auch wenn wir an der Hochschule auf Expertenwissen zu Kl angewiesen sind, kann sich wohl niemand dem Thema entziehen. Es wurde deutlich, dass die Implementierung von KI-Technologien an Hochschulen nicht nur eine Frage der technischen Machbarkeit, sondern auch der nachhaltigen und strukturellen Integration in die akademische Landschaft ist. Die Konferenz zeigte auch auf, dass es nicht genügt, sich dabei auf zeitlich befristete Drittmittelprojekte zu verlassen, die keine langfristigen strukturellen Veränderungen bewirken.

Für uns als Hochschule nehme ich mit, wie wichtig es ist sich mit allen Interessierten über alle Statusgruppen hinweg zu vernetzen.

Ausblick

Für das nächste Jahr ist die Planung der GMW 25 noch etwas in der Schwebe. Ursprünglich für Österreich angedacht, könnte sich die Veranstaltung um ein Jahr verschieben, was Deutschland als Gastgeber für 2025 positionieren würde.

Das Fokusthema der kommenden Tagung soll etwas breiter gefasst werden, um mehr Spielraum für verschiedenartige Beiträge und Diskussionen zu bieten. Es wird geplant, offene Tracks einzurichten, die eine flexible Begleitung unterschiedlichster Themenbereiche ermöglichen.

Hinsichtlich der Kooperationen besteht ein deutliches Interesse daran, auf den guten Erfahrungen mit Organisationen wie Delfi und Campus Source aufzubauen.

weiterführende Links:

 

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