Handbuch zur digitalen Freiheit: Freie Software

3 Jan, 2019

Bild: CC0 1.0 Universell Liberté, Egalité, Fraternité (dt. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) – der Wahlspruch der Französischen Republik und eine Maxime von unschätzbaren Wert für freiheitliche und soziale Gesellschaften. Das Internet, wie es spätestens seit der Erfindung des World Wide Webs (WWW) existiert, ermöglicht per se das vollständige Adaptieren des Credos. Seit seinem Bestehen ermöglicht das […]

Bild: CC0 1.0 Universell


Liberté, Egalité, Fraternité (dt. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) – der Wahlspruch der Französischen Republik und eine Maxime von unschätzbaren Wert für freiheitliche und soziale Gesellschaften.

Das Internet, wie es spätestens seit der Erfindung des World Wide Webs (WWW) existiert, ermöglicht per se das vollständige Adaptieren des Credos. Seit seinem Bestehen ermöglicht das WWW die Offenlegung des menschlichen Wissens oder die Partizipation verschiedenster Individuen und Gruppen, unabhängig von Herkunft, Ethnie oder Glaube, an neuen virtuellen Gesellschaftsstrukturen.

Mit der Öffnung des Internets 1990 begann auch dessen Kommerzialisierung. Große Unternehmen wie Adobe, Google oder Microsoft, aber auch staatlichen Institutionen, kann durchaus ein Desinteresse am Nutzen des Internets zum Ziele innovativer gesellschaftlicher Chancen vorgeworfen werden. Die Gier nach Macht(-erhaltung) und/oder Profitmaximierung steht zweifelsohne im Vordergrund. Dass durchaus anwenderfreundliche Dienste in den Entwicklerstudios der unzähligen profitorientierten Unternehmen generiert werden, möchte ich gar nicht in Frage stellen. Was wäre das Durchsuchen gigantischer Datenmengen schon ohne die genialen Algorithmen der Google-Suche, der Arbeitsprozess eines Grafikers ohne Photoshop oder eben der heimische PC ohne ein Betriebssystem wie Windows. Die genannten Programme, bzw. Dienste habe eines gemeinsam: Sie sind nach Definition der Free Software Foundation (FSF) proprietär und verhalten sich im Grunde konträr des eingangs genannten Grundsatzes der französischen Revolution.

Der Unterschied

Das Adjektiv proprietär bedeutet in Eigentum befindlich. Proprietäre Software ist urheberrechtlich geschützt und steht – im Gegensatz zu freier Software – nicht unter einer freien Lizenz. Die Terminologie hinter der Wortschöpfung Freie Software kann in der deutschen oder englischen Sprache allerdings schnell missverstanden werden. Es geht hierbei in erster Linie nicht um den monetären Preis der Software (wie bei sog. Freeware), sondern um die uneingeschränkte Freiheit der Kontrolle, sowie die Freiheit der Kollaboration über diese. Um die Freiheit zu gewährleisten, ist die Offenlegung des Quellcodes, analog dazu spricht man auch von Open Source Software, obligatorisch.

Prophylaktisch werden jene Programme mittlerweile auch Free and Open Source Software (FOSS) genannt, damit das nach Ansicht der FSF wesentliche Attribut freiheitlich bestehen bleibt und trotzdem Verwechslungen vermieden werden.

Freie Software erkennen

„Bio ist nicht gleich Bio“ skandieren Verbraucherschützer, wenn es um Lebensmittel geht, die dem Kunden dem Äußeren nach bestimmte Eigenschaften suggerieren, diese aber nicht einhalten. Erst beim Blick auf bestimmte Siegel erfährt man mehr über die Qualität des zu kaufenden Produkts. Ähnlich verhält es sich mit Software. Da es sich bei Software um geistiges Eigentum handelt, unterliegt es dem Urheberrecht, das über verschiedene Lizenzmodelle geregelt wird. Neben Rechten zugunsten des Urhebers, profitieren vor allem die Anwender von freien Lizenzmodellen, denen die oben genannten Freiheiten gewährt werden.

Folgende Lizenzen verpflichten den Entwickler die Anforderungen der Free-Software-Philosophie zu erfüllen:

  • GNU General Public License (GPL/AGPL/LGPL),
  • Mozilla Public License (MPL),
  • Apache 2.0 License,
  • BSD License,
  • MIT License.

Die FSF erkennt die oben genannten Lizenzen als ethisch vertretbar an und pflegt diesbezüglich eine ausführliche Liste auf ihrer Webseite:
https://www.gnu.org/philosophy/license-list.html

Anhand der vergebenen Lizenz, die beispielsweise dem Repository (z.B. auf GitHub) entnommen werden kann, ist die jeweilige Software identifizierbar. Alternativ reicht häufig auch ein Blick in den Wikipedia-Eintrag des Programms, sofern die Software relevant genug ist.

Verwendung freier Software

Die Vorteile freier und quelloffener Software liegen auf der Hand. Sie schränken den Nutzer nicht in seiner Freiheit ein, garantieren die informationelle Selbstbestimmung über seine personenbezogenen Daten und sind in der Regel kostenlos erhältlich. Trotzdem entscheiden sich über 90% der Internetnutzer für ein Windows-Betriebssystem oder Apples macOS auf ihrem Desktop-PC, über 60% nutzen weltweit Google Chrome als Internet Browser (vgl. Daten November 2018 StatCounter), ein Großteil nutzt für das Editieren von Texten, Präsentationen oder Tabellenkalkulationen Microsoft Office Produkte und die eingangs erwähnten Grafiker nutzen Produkte aus der Adobe Creative Suite.

Es stellt sich zwangsläufig die Frage, ob es überhaupt ausreichend gute Alternativen gibt oder ob die Majorität der Nutzer bei der Frage nach der digitalen Freiheit gar nicht erst aufgeklärt ist. Im Folgenden möchte ich diesbezüglich eine kurze Zusammenfassung freier Alternativprodukte vorstellen, denn die libertäre Konkurrenz existiert.

Libertäre Konkurrenz

Aufgrund der Auslagerung vieler Programme auf Server bzw. cloud-basierte Lösungen, entwickelte sich der Internetbrowser seit geraumer Zeit zur wichtigsten Software auf Endgeräten. Den weltweit größten Marktanteil hält Google Chrome. Neben Google bieten auch Microsoft und Apple eigene Browser an, die zwar weit verbreitet sind, jedoch keinen offengelegten Quellcode zur Verfügung stellen. In Googles Open-Source-Projekt Chromium werden Teile des Chrome-Quellcodes überwiegend unter der BSD-Lizenz zur Verfügung gestellt. Die FSF hingegen kann eine Nutzung auf Grund teilweise undeutlicher Lizenzierung nicht unterstützen. Allgemein empfiehlt sich die Verwendung von Mozilla Firefox oder Konqueror von KDE, allerdings werden in beiden Browsern nicht-freie Add-Ons bzw. Plug-Ins empfohlen und unterstützt. Eine vollständig freie Alternative wäre GNU IceCat. Dieser wird allerdings nur für Linux Betriebssysteme unterstützt.

Eine restlose Unterbindung nicht-freier Plug-Ins führt allerdings auch dazu, dass verschiedene Inhalte von Webseiten nicht mehr abrufbar sind. Das bekannteste Beispiel hierfür sind DRM-Systeme, die beispielsweise bei Streamingdiensten wie Amazon Prime, Netflix oder Spotify eingesetzt werden. Der Einsatz der Digitalen Rechteverwaltung (engl. Digital Rights Management) ist ein anderes hoch umstrittenes Thema, das die Freiheit im Internet beschneidet.

Diesbezüglich ist anzumerken, dass der Großteil der Internetseiten und der damit verbundenen server-seitigen Anwendungen nicht frei sind. An dieser Stelle möchte ich auch auf die zweiteilige Serie Freies Wissen für alle von Mechthild Stier aufmerksam machen, die vor etwa zwei Jahren auf diesem Blog erschienen ist, in der es um die Offenlegung des Wissens im Internet am Beispiel der Wikimedia Foundation geht.

Freies Wissen für alle (Teil 1)   |   Freies Wissen für alle (Teil 2)

Noch vor der Erfindung des HTTP, das das Internet heutzutage maßgeblich prägt, wird schon seit 1982 das Simple Mail Transfer Protocol (SMTP) verwendet. Mit POP3 oder IMAP kann dann die Nachricht vom jeweiligen Mail-Server abgerufen und gelesen werden. Dafür braucht man entsprechende E-Mail-Clients. Das bekannteste Programm ist in diesem Kontext Microsoft Outlook. Der Funktionsumfang beschränkt sich bekanntlich nicht nur auf den Mailverkehr, sondern umfasst auch weitere Dienste, wie Kalender, Notizen oder Kontakte, die im allgemeinen als Personal Information Manager zusammengefasst werden. Empfehlenswerte Alternativen sind Mozilla Thunderbird oder Kontact (sic!). Neben klassischen E-Mail-Clients bietet die Open-Xchange AG die gleichnamige server-seitige Webmailumgebung Open-Xchange, in Konkurrenz zu Microsoft Exchange, an. Die freie Software wird auch an der HWR für die Studenten- und Dozentenmails verwendet.

Outlook ist hinlänglich als Teil des Office Pakets Microsoft Office bekannt. Die mitgelieferten proprietären Dateitypen (z.B. .docx, .pptx, .xlsx) sind in Kombination mit den jeweiligen Anwendungen – dementsprechend Word, PowerPoint, Excel – mittlerweile de facto Standards. Als äußerst gute Alternative kann Microsofts größter Opponent LibreOffice betrachtet werden, ein freies Officepaket der deutschen „The Document Foundation“, welches sich wiederum vom ebenfalls quelloffenen OpenOffice-Projekt abgespalten hat. Diese Pakete verwenden ausschließlich freie Dateitypen wie z.B. .odt, .odp, .ods. Diese können von nahezu allen Office-Programmen – im Übrigen auch von Microsoft Office – gelesen und bearbeitet werden.

Das OS-Dilemma

All diese Programme laufen bekanntermaßen auf einem Konglomerat aus Verwaltungssystemen, Gerätetreibern und Systemdiensten, zusammengefasst: Betriebssystem, bzw. Operating System (OS). Die Marktsituation ist seit Jahrzehnten festgefahren. Unter den Desktop-Betriebssystemen hat sich Microsofts Windows durchgesetzt, den zweiten Platz hält weit abgeschlagen Apples macOS. Die freien, quelloffenen Alternativen, die größtenteils auf GNU/Linux aufbauen, beanspruchen nur einen marginalen Marktanteil. Ein einheitliches Gesamtpaket wie bei Windows oder macOS findet man bei Linux vergebens. Daher gibt es auch nicht das Linux-Betriebssystem, sondern lediglich den GNU/Linux-Kernel. Erst mit den jeweiligen Distributionen werden Systemprogramme, Bibliotheken, grafische Oberflächen und Anwendungen vereinigt.

Aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen, dass gerade das Programmieren unter Linux besonders entspannt ist. Die meisten Distros liefern bereits die wichtigsten Programmiersprachen und Dienste (z.B. Git), darüber hinaus können passende IDEs schnell installiert werden. Es empfiehlt sich an dieser Stelle etwas Erfahrung im Umgang mit der Kommandozeile im Terminal zu sammeln, unter Windows besser bekannt als Eingabeaufforderung (cmd.exe). Allerdings ist das Arbeiten über die Kommandozeile in einsteigerfreundlichen Distros nicht zwingend erforderlich. Im Allgemeinen hat sich die Benutzerfreundlichkeit von Linux stark verbessert und auch Laien sollten ohne Probleme Linux im Alltag nutzen können. Besonders einsteigerfreundlich sind die Debian-Derivate Ubuntu oder Linux Mint. Erwähnenswert sind aber auch Fedora (Projekt des Unternehmens Red Hat Inc.) oder openSUSE, der deutschen SUSE LINUX GmbH. Für erfahrene User empfiehlt sich das überaus anpassungsfähige Debian oder Arch Linux, welches dem sogenannten KISS-Prinzip („Keep it simple, stupid“) nahesteht. Darüber hinaus veröffentlicht die FSF eine Liste vollständig freier GNU/Linux-Distributionen, da die genannten auch nicht-freie Software und Treiber unterstützen und einsetzen.

Sonderfall Smartphone

Ein zum Desktopmarkt ähnliches Duopol ist im Smartphone-Segment zu beobachten. Hier decken Googles Android und Apples iOS den Markt ab. Das Kernsystem Android ist tatsächlich auf dem GNU/Linux-Kernel gebaute Distribution und prinzipiell unter freien Lizenzen veröffentlicht. Das Problem entsteht allerdings bei vorinstallierten Anwendungen und diversen mitgelieferten Applikationen (ugs. Apps), die sich nicht einfach deinstallieren lassen. Es ist wohl ein offenes Geheimnis, dass Google und Apple per se alle Daten sammeln und im Zweifel auch auswerten, die auf unseren Smartphones verarbeitet werden. Hier möchte ich – ein zweites mal – den Artikel nicht noch umfangreicher gestalten als er eh schon ist. Es sei jedoch angemerkt, dass sämtliche „Smart-Technologien“ unsere Freiheiten im großen Stil einschränken. Wer dennoch sein Smartphone so frei wie möglich halten möchte, lege ich die Kampagne Free Your Android der FSF Europe nahe.

Ganz anders sieht die Situation glücklicherweise auf Servern aus. Dort werden mehrheitlich freie Linux-Distributionen eingesetzt. No further words needed!

Neben Programmen und Betriebssystemen, die lokal auf unseren Endgeräten installiert sind, sollte auch der Umgang mit serverseitigen Anwendungen hinterfragt werden. Das Bearbeiten diverser Officeprodukte über Google Docs findet selbstverständlich genauso über undurchsichtige Backendprogramme statt, wie das Navigieren in Google Maps. Zu Google Maps gibt es übrigens eine offene Alternative namens OpenStreetMap.

E-Learning?

Jetzt stellt sich natürlich die Frage was dieser Beitrag in einem E-Learning-Blog zu suchen hat. E-Learning funktioniert selbstverständlich auch über bestimmte Anwendungen, die HWR setzt dazu u.a. die freie Software Moodle ein. Der Blog ist mit Hilfe des freien CMS WordPress erstellt worden. Das interne Ticketsystem des Rechenzentrums setzt auf den freien Dienst Open Technology Real Services (OTRS). Zu Hause können wir uns selbst aussuchen mit welcher Software wir arbeiten wollen. Der Nutzer hat allerdings keinen Einfluss auf die Datenverarbeitung in den Rechenzentren und die Entscheidungen der Leitungen. Auch mit Hilfe meines Artikels möchte ich auf die Wichtigkeit der FOSS aufmerksam machen, sowohl im privaten, als auch im dienstlichen Umfeld und somit zumindest ein Bewusstsein über Freie Software zu schaffen.


Freie Software – Übersicht

Abschließend folgt zur Veranschaulichung eine kurze Liste über empfehlenswerte freie Software und dessen bekannten proprietären Gegenspielern. Darüber hinaus gibt es natürlich noch unzählige weitere Beispiele. Falls euch noch erwähnenswerte Beispiele einfallen, könnt ihr diese gerne als Kommentar unter dem Beitrag veröffentlichen.

 

Freie Software

 

Proprietäres Äquivalent

 

Betriebssysteme GNU/Linux Distributionen
u.a. Linux Mint, Fedora, Debian
Windows
macOS
Internetbrowser Mozilla Firefox
GNU IceCat
Tor Browser
Apple Safari
Google Chrome
Microsoft Edge (vormals Internet Explorer)
Office-Pakete LibreOffice
Apache OpenOffice
Microsoft Office
E-Mail Clients Kontact
Mozilla Thunderbird
Microsoft Outlook
Kommunikationsdienste Cryptocat
Telegram (serverseitig proprietär)
Facebook Messenger
Skype
WhatsApp
Team-Kommunikation Mattermost Slack
Grafikprogramme GIMP
Inkscape
Adobe Photoshop
IDEs Apache NetBeans IDE
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