Forschungsorientiertes Lehren von Anfang an durch den Einsatz einer anwendungsorientierten Projektstudie

24 Feb, 2015

Im Masterstudiengang „Nonprofit-Management und Public Governance (MaNGo)“, einer Kooperation der HWR mit der HTW Berlin, findet im ersten Semester eine Einführung in die Forschungsmethoden statt. Hier knüpfen wir mit dieser anwendungsorientierten Projektstudie an, indem sich die Studierenden eigenständig eine Forschungsaufgabe zum Thema Partizipation in Kooperation mit einem Praxispartner in Berlin Lichtenberg suchen und diese im […]

Im Masterstudiengang „Nonprofit-Management und Public Governance (MaNGo)“, einer Kooperation der HWR mit der HTW Berlin, findet im ersten Semester eine Einführung in die Forschungsmethoden statt. Hier knüpfen wir mit dieser anwendungsorientierten Projektstudie an, indem sich die Studierenden eigenständig eine Forschungsaufgabe zum Thema Partizipation in Kooperation mit einem Praxispartner in Berlin Lichtenberg suchen und diese im Team bearbeiten. Die Studierenden lernen, wie sie ein eigenes Forschungsvorhaben von Anfang bis Ende durchführen. Dieses Training kann die Kursteilnehmenden zielgenau auf die Herausforderungen der eigenen Masterarbeit vorbereiten. Das Projekt von Prof. Dr. Bettina Hohn und Dr. Götz Frommholz wurde im Wintersemester 2014-2015 durch den Qualitätspakt Lehre gefördert.

„Das ist echte Erwachsenenbildung statt Verschulung“ (Zitat eines Studenten)

Foto_Vortrag einer Studentin

Das Lehrprojekt adaptiert ein sehr erfolgreiches Seminar, das zwischen dem Thinktank dpart – Forschung für politische Partizipation und der Jacobs University in Bremen im Wintersemester 2013/2014 durchgeführt worden ist und von dem „Lehren“ Bündnis gefördert wurde. Aufgrund der gesammelten Erfahrung, der Ergebnisse der Gruppenarbeiten und dem Lernerfolg der Studierenden haben sich die Beteiligten vorgenommen, den Lehrerfolg zu „exportieren“ und an anderen Hochschulen zu erproben.

Im Masterstudiengang „MaNGo“ gibt es vielfältige Kooperationen mit gemeinwohlorientierten Organisationen. In diesem Zusammenhang ist unsere Projektstudie explizit forschungsorientiert. Die Ergebnisse werden derzeit noch benotet und die Endnote setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen: 1. Präsentation zum Projektfortschritt während der Plenumstreffen, 2. Forschungsbericht (von der Gruppe vorgelegt), 3. Reflexionspapier (einzeln vorgelegt), in dem die Studierenden ihre Herausforderungen während des Projekts, ihre Auseinandersetzung mit den methodischen Einschränkungen und Probleme reflektieren. Eine zusätzliche Anforderung waren Videologs, kurze Filme von 2-3 Minuten, die die Gruppen in den sitzungsfreien Wochen auf der Lernplattform Moodle hochluden, um ihren Gruppenfortschritt darzustellen.

Die Innovation dieser Lehrveranstaltung bezieht sich auf den praktischen Ansatz des Community Based Research: Die Hochschule identifiziert mit externen Partnern in ihrem direkten Umfeld problemlösende Forschungsbedarfe, um die Institution auf der lokalen Ebene zu integrieren und die kommunale Quartiersentwicklung zu unterstützen. In dieser Veranstaltung haben wir den inhaltlichen Rahmen für die Projekte auf Fragestellungen zu sozialer wie politischer Partizipation im Raum Lichtenberg – also im direkten Umfeld des Campus‘ – vorgegeben.

„Mein Blick auf Lichtenberg hat sich geändert“ (Zitat einer Studentin)

Die Projektstudie zeichnet sich dadurch aus, dass sie ein angewandter Methodenkurs ist. Die Studierenden bringen sich aktiv durch selbstständige Forschung in die Projektveranstaltung ein, im Gegensatz zu Frontalunterricht oder herkömmlichen Gruppenarbeiten, die i.d.R. den Seminarraum nicht verlassen. Die Lehrenden agieren weniger in der Rolle von Instruktoren, sondern begleiten die Teams als Mentoren, geben aber Inputs zu Literatur und Forschungsmethoden. Mit ihren unterschiedlichen Studienhintergründen und Methodenkenntnissen, finden sich die Studierenden in Gruppen zusammen und müssen erlernte Methoden gemeinsam in die Praxis umsetzen.

Da es sich um selbst entwickelte Projekte handelt, zielt der pädagogische Ansatz auch auf die Fähigkeit zur Eigenmotivation und selbstständiger Problemlösung. Die Studierenden werden mit einer aktiveren Rolle und mehr Verantwortung in die Gestaltung der Seminare eingebunden. Dies fördert Selbstbewusstsein, Eigenständigkeit und Sicherheit in der Anwendung wissenschaftlicher Methoden.

Eine solche Forschungswerkstatt ist essentiell für das Studium“ (Zitat einer Studentin)

Mit dieser Form der Seminargestaltung eignen sich die Studierenden durch forschendes Lernen sowie Praxisorientierung Wissen effizienter und nachhaltiger an. Sie erhalten einen vertieften Einblick in die konkrete Umsetzung der Lehrinhalte in die berufliche Praxis und erfahren, wie wissenschaftliche Erkenntnisse auf Handlungsfelder in der Praxis angewandt werden können. So wurden bspw. Motive für ehrenamtliches Engagement in einem lokalen Bürgerhaus analysiert. Die Projektergebnisse führten zu Handlungsempfehlungen, wie die Organisation weitere Mitmenschen für das Ehrenamt motivieren könnte. Durch den Transfer der Fachinhalte in einen spezifischen Anwendungskontext wurde erfahrungsorientiert gelernt. Die Studierenden erzielten durch ihr hohes Engagement große Lernerfolge und es gab einen intensiven Austausch über die Lernprozesse in den einzelnen Teams. Um den  teamübergreifenden Wissensaustausch noch zu stärken, diskutierten wir die Möglichkeit das Studierende unterschiedlicher Teams temporär auch gemeinsam an gruppenübergreifend relevanten methodischen Fragestellungen arbeiten könnten.

Neben der Problemlösungskompetenz wurde die soziale Kompetenz und die Kommunikationsfähigkeit gestärkt, da die Studierenden im Feld ihre Daten erheben, diese im Team auswerten und die Ergebnisse präsentieren und verteidigen mussten – auch im Rahmen einer öffentlichen Abschlussveranstaltung mit den Projektpartnern aus der Praxis. Die Ergebnisse der Forschung bleiben so nicht nur „im Seminarraum“. Aufgrund der Interaktion mit Institutionen und Akteuren in Berlin, bekommt die Forschung ein breites Publikum. Durch eine öffentliche Abschlussveranstaltung fließt das generierte Wissen zurück in die Kommune und kommt so dem „Community Building“ zu Gute. Durch die gemeinsame Diskussion mit Praktikern erhalten die Studierenden einen Einblick, wie ihre Forschung in tatsächliches Engagement umgesetzt werden kann.

Die Lehrform des Teamteachings war zentral für die erfolgreiche Durchführung. In dieser transdisziplinär angelegten Projektstudie arbeiteten eine Wirtschaftswissenschaftlerin und ein Soziologe als Lehrteam zusammen. Beide Dozenten waren durchgängig anwesend. Die theoretisch-konzeptionellen Inputs wurden gemeinsam präsentiert und mit den Studierenden diskutiert. Die Betreuung der Teams bei der Bearbeitung der Forschungsprojekte erfolgte  durch beide Dozenten. Bei der Präsentation und Diskussion der (Zwischen-)Ergebnisse waren die gesamte Gruppe und beide Dozenten dabei.

„Studieren wie es sein sollte“ (Zitat eines Studenten)

Community Based Research, die Verbindung von Service Learning und forschendem Lernen, ist als Lehr- und Lernform nicht an bestimmte Fächer oder Inhalte gebunden. Zentral ist der Forschungsbezug. Allerdings ist der erforderliche zusätzliche Arbeitsaufwand zu beachten. Eine wichtige Voraussetzung ist unserer Einschätzung nach die Koordination und Absprache unter den Dozenten bzgl. der Lernziele, der Inhalte und Methoden sowie bzgl. der Anforderungen an die Arbeit der studentischen Teams.

Die gemeinsame Reflexion mit den Studierenden hat ergeben, dass dieses Projekt als außerordentlich fruchtbar und gewinnbringend empfunden wurde. Darüber hinaus können wir aufgrund der Rückmeldungen zwei wichtige Verbesserungsvorschläge empfehlen. Die Studierenden hatten Bedenken wegen der Benotung des Reflexionspapiers. Da in dieser Ausarbeitung auch ein Feedback zu der Veranstaltung begrüßt wurde, fanden sie es problematisch, sich hierzu zu kritisch zu äußern, wenn Noten vergeben werden. Der zweite Aspekt, der überdacht werden sollte, ist die Umsetzung der Videologs, bei denen wir die physische Präsenz aller Gruppenmitglieder erwartet hatten. Die Studierenden empfanden mehrheitlich die Videologs als hilfreich. Da aufgrund der Größe Berlins die Vorgabe eines physischen Treffens eine (zu) hohe Anforderung zu sein scheint, empfehlen wir in der zukünftigen Umsetzung des Seminars, zwar beizubehalten, alle Gruppenmitglieder bei der Erstellung der Videologs zu involvieren, aber statt ausschließlich physischer Präsenz auch eine virtuelle Vernetzung zuzulassen.

Autor/innen: Prof. Dr. Bettina Hohn und Dr. Götz Frommholz

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