Wenn der How-To-Guide nicht mehr weiterhilft: In 6 Schritten eine neue Fähigkeit erlernen

von Larissa Gross

6 Mai, 2013

Als ich vor nun zwei Monaten für meine Auslandssemester nach Shanghai zurückkehrte, überkam mich erneut die Begeisterung hinsichtlich der Energie, die man in dieser Stadt zu spüren bekommt. Die schnelle Entwicklung und der Konkurrenzdruck scheinen hier großen Anreiz zu schaffen, neue Fähigkeiten zu erlernen und fördern den täglichen Erfindungsreichtum. Sei da eine chinesische Freundin genannt, […]

Als ich vor nun zwei Monaten für meine Auslandssemester nach Shanghai zurückkehrte, überkam mich erneut die Begeisterung hinsichtlich der Energie, die man in dieser Stadt zu spüren bekommt. Die schnelle Entwicklung und der Konkurrenzdruck scheinen hier großen Anreiz zu schaffen, neue Fähigkeiten zu erlernen und fördern den täglichen Erfindungsreichtum. Sei da eine chinesische Freundin genannt, die als Inhaberin einer Hochzeitsplanungsagentur regelmäßig neue ausgefallene Fertigkeiten entdeckt, im Sturm erlernt und sie sich für das wachsende Geschäft zu Nutze macht.   Bei so viel Inspiration fand auch ich, es sei Zeit für einen neuen Skill und habe mir in den Kopf gesetzt, in 10 Monaten fließend Chinesisch zu sprechen. Um dieses Ziel zu erreichen (ohne die Tiger Mom in mir zu wecken), habe ich mich in den vergangenen Wochen mit einigen Knackpunkten des Lernens beschäftigt und die nützlichsten Tipps für den erfolgreichen Lernprozess einer neuen Fähigkeit für euch zusammengestellt!

 

1. Return on Investment : Erkenne den Nutzen!

Zugegeben, ich hatte früher schon einige Jahre an der Oberschule Chinesisch gelernt. Aber ohne Studienpläne, konkretes Karriereziel und Vorstellung davon, was mich da „draußen“ erwarten würde, erlebte ich diese Zeit trotz anfänglicher Begeisterung für „etwas Neues“ als demotivierendes, desorientiertes, zeitverschwendendes „Gute Noten Abgreifen“. Diesmal ist es anders: Ich begegne Menschen, die es geschafft haben, mit Hilfe ihrer Chinesisch-Kenntnisse erfolgreich zu werden, und erkenne, welche Möglichkeiten die Sprache (jenseits der Straßenrestaurants und Obststände) eröffnen kann. Das motiviert. Schritt Nummer 1 ist für mich darum, den Nutzen der Fertigkeit zu begreifen und ihn sich täglich zur Motivation vor Augen zu halten. Zudem kann der Return als nützliches Verhandlungsargument dienen: Weiß zum Beispiel der Chef, wie der neue Skill das Unternehmen bereichern kann, muss man den nächsten Kurs XY sicherlich nicht aus eigener Tasche bezahlen.

 

 

2. So passend wie vom Fabric Market: deine individuelle Lernstrategie!

Was das Erlernen einer Fähigkeit schwieriger macht als den Erwerb von Fakten und Wissen,  ist, dass es für den Erwerb einer Fähigkeit nicht genügt, ein Buch aufzuschlagen. How-To Guides können zwar beim Start helfen, ersetzen aber nicht die vielen Wiederholungen, die sowohl für den Erwerb von motorischen als auch kognitiven Fähigkeiten nötig sind. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass wir zu Wissen einen direkten Zugang haben, während Fähigkeiten oder Skills komplexer sind und zum Teil auch unbewusst erlernt werden. Dies wiederum erschwert die Vermittlung von Fähigkeiten, da ihre Experten nicht bewusst auf alle Elemente zugreifen können oder die Fähigkeit zu komplex ist, um sie in Worte zu fassen. „Learning by doing“ ist also der einzige Weg! In das Erlernen einiger bestimmter Skills, kann man sich gleich hineinstürzen, für das Erlernen von Fahrradfahren haben vielleicht eure Eltern für euch die Initiative übernommen und wieder andere Fähigkeiten erfordern eine individuelle Lernstrategie. Für die Entwicklung solch einer Strategie kann man auf Erfahrungen zurückgreifen. Was hat euch in der Vergangenheit geholfen? Seid ihr eher visuell, auditiv oder hands-on gepolt? Hinzu kommen natürlich noch die Gegebenheiten des Alltags: Überlegt euch, wie ihr euren Lernprozess mit ihm verknüpfen könnt! Ich habe zum Beispiel immer meinen Notizblock mit chinesischen Vokabeln mit auf dem Laufband, um meine Zeit effizient zu nutzen (um sicherzugehen, dass ich den Vokabeln nicht weglaufe, sondern geistig bei der Sache bin). Damit mir die komplizierten Schriftzeichen auch während schnellen Rennens nicht vor den Augen verschwimmen, hab ich sie also extra groß und fett geschrieben. Und die 3 Stunden, die ich täglich in der Metro verbringe, kann ich gut mit chinesischen Kurzvideos auf meinem Tablet nutzen.

3. Meilensteine

Perfektion ist nicht nur selten vorzufinden, sondern stellt auch keine gute Motivationsgrundlage dar. Um sich nicht irgendwo auf dem Weg zum Weltklasse-Pianisten oder Programmierexperten zu verlieren, kann man sich Meilensteine setzen. So wird das monströse Vorhaben in kleine Appetizers aufgeteilt, die den Appetit auf mehr Lernerfolg größer werden lassen! So orientiere ich mich zum Beispiel unter anderem an den HSK-Sprachlevel-Tests und freue mich gleichzeitig darauf, meine Kenntnisse auf Reisen in die “Wildnis” oder für den sichtbaren (miss)Erfolg beim lokalen Friseur auf die Probe zu stellen.

4. Besorge dir einen Mentor

Ebenfalls motivationsfördernd ist die Unterstützung durch einen Mentor. Er beweist dir nicht nur, dass es möglich ist, die Fähigkeit zu erlernen, sondern kann dir auch Tipps geben und eine Vorstellung deiner zu erwartenden Lernkurve vermitteln. Vielleicht gibt es in deiner Firma oder deinem Social Network ja jemanden, der alle Meilen bis zur Meisterung der Fähigkeit gegangen ist und dir helfen kann. Auch an der Uni ergeben sich viele Situationen, in denen man erkennen kann, wer in welchem Bereich seine Stärken und Schwächen hat. Idealerweise findet man seinen „Komplementärpartner“ und hilft sich gegenseitig bei der Weiterentwicklung seiner Fähigkeiten. Ich arbeite darum ab und zu als Englisch-Tutor für chinesische Kinder – auch das fordert mich darin, sprachliche Unterschiede zu entdecken und bilingual zu erklären.

5. Gib deinen Erfolg weiter

Jemand anderen etwas beizubringen und in seinem Lernprozess zu unterstützen ist nicht nur empfehlenswert, um sich im Gegenzug selbst den Zugang zu wertvollen Tipps zu eröffnen. Denn wer seine frisch erworbenen Fähigkeiten weitergibt, beschleunigt damit  auch seinen eigenen Fortschritt: Zum einen, weil wir das gelernte dadurch wiederholen und zementieren und zum anderen, weil wir dadurch angeregt werden, das Gelernte in einen neuen Kontext zu bringen und anders anzupacken, um es dem Gegenüber verständlich zu machen. Zögert also nicht, selbst einen Unbekannten um Unterstützung zu bitten (dieser freut sich womöglich sogar darüber, dass er zum Mentor auserkoren wurde).

6. Viele Wege führen zum Erfolg: Verfolge deinen Fortschritt

Es gibt mindestens 3 Gründe, warum man seinen Fortschritt reflektieren sollte: 1. Es motiviert und hilft am Ball zu bleiben. 2. Es zeigt an, wann man einen anderen Weg einschlagen sollte. 3. Es hilft dabei, den richtigen Weg zu finden. Genauso wie in der Ökonomie unsere geliebten Kurven irgendwann ihre maximale Steigung erreichen und man aufhören sollte, den Preis zu erhöhen oder zu produzieren, flacht auch eine Lernkurve irgendwann ab. Dann ist es Zeit für eine neue Strategie! Kleine Proben oder Herausforderungen sowie Feedback von Menschen, die den ganzen Weg gegangen sind, können dabei helfen, den Fortschritt objektiv zu beurteilen oder einen neuen Weg einzuschlagen. Man sollte also keinesfalls isoliert lernen oder Angst vor hartem Feedback haben, denn wie ein chinesischer Taxifahrer mir neulich wieder einmal sagte: Versagen ist die Mutter des Erfolgs 😉 Ups, das ging nun schon wieder in die How-To-Richtung. Ich wünsche euch viel Spaß bei der Meisterung eures nächsten Skills! Eure Tipps und Erfahrungen sind an dieser Stelle natürlich auch mehr als willkommen!

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3 Kommentare

  1. Marcus Birkenkrahe

    Faszinierender Artikel, vielen Dank, insbesondere weil meine 12-jährige Tochter und damit überrascht hat, dass sie unbedingt Chinesisch lernen möchte. Und eigentlich auch japanisch… deine Schrittfolge und der Rat, durch Reflexion das Erlernte zu vertiefen und sich zu motivieren, finde ich ausgezeichnet. Über einen ähnlichen Zugang gibt es auch Studien, die besagen, dass diese Metamethode, sich einem Gegenstand von ganz verschiedenen Seiten, auch sozialen, zu nähern, deutlich den Einbahn-Methoden überlegen ist. Natürlich kostet das Zeit, aber die holt man zum Beispiel damit ein, dass man sich Frustrationen ersparen kann, zum Beispiel wenn man nach einigen Monaten, wie viele Leute, das lernen der neuen Sprache wieder abbricht.

  2. JScheibe

    Dieser Artikel war für mich im ersten Moment ein bisschen ein rotes Tuch, weil es sich tatsächlich wie ein HowTo angefühlt hat und ich mich irgendwie klein und die Materie sich zäh angefühlt hat. Nach ein paar Minuten Reflexion (womit wir ja genau beim Thema sind) habe ich jedoch festgestellt, dass sich anhand der sechs genannten Strategien nahezu jede Lebens- und Lernerfahrung im konstruktiven Sinn auf ihre Effektivität abklopfen lässt. Vor allem im Bereich “Erfolg weitergeben” kann ich den angesprochenen erhöhten Lerneffekt durch das Betrachten von Wissen aus einem anderen Blickwinkel definitiv durch eigene Erfahrungen bestätigen. Ein Artikel, der zum Nachdenken anregt!

  3. Lennart Bolduan

    Mentoren und Mentorengespräche empfinde ich persönlich als sehr motivierend. Auch kann ich jedem nur empfehlen, über alles was einem liegt und was einem Spaß macht, bzw. worin man sich schulen möchte zu reden, so oft wie möglich.
    Nur so kann man einschätzen wie weit man ist und bekommt mehr Informationen oder Ansichten aus ganz anderen Blickwinkeln zum Thema.

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