Am 03. und 04. September 2012 fand die erste E-Learning Tagung der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin unter dem Motto: „E(r)lernen: Zukunftskonzepte zur Lehre mit den neuen Medien“ statt .
Beim Workshop „Webkonferenzen in der Lehre“ mit Sylvia Stamm, Katja Drasdo und Yvonne Stragies wurde es interaktiv. Neben Diskussionen der Workshop-Teilnehmer/innen wurde getwittert und Fragen zum Einsatz von Webkonferenzen in der Lehre zeitgleich im Netz auf dem TitanPad zur offenen Kommunikation zur Verfügung gestellt.
Zudem haben wir Expert/innen vor Ort und via Adobe-Connect live zugeschaltet, die von ihren Erfahrungen aus der Praxis berichteten:
Dr. Jörg Neumann, TU Dresden/ HS Mittweida, berichtete in seinem Vortrag „Online-Meetings mit Adobe Connect – Einsatz im Lehren und Lernen“ über die Einsatzmöglichkeiten von Webkonferenzen als Teil von Blended-Learning-Szenarien. Als Auftakt gilt dabei in der Regel eine Präsenzveranstaltung, auf die Webkonferenzen (Online-Tutorien) sowie Selbstlernphasen folgen bzw. sich abwechseln. Dabei begrüßen gerade Studierende die leicht umzusetzende Integration von Webkonferenzen in den Lern- und Arbeitsalltag und empfinden diese Form des Lernens als sehr motivierend. Jedoch sind Lehrende beim Einsatz von Webkonferenzen in der Lehre vor didaktische Herausforderungen gestellt, da vor allem Lerner-aktivierende Elemente stärker im Vorfeld geplant werden müssen. Zudem bedürfen die Interaktionen mehr Zeit als in herkömmlichen Vorlesungen. Seine Erfahrungen zeigen, dass Webkonferenzen weniger für Lernszenarien mit einem hohen Diskussionsanteil geeignet sind, und dass im Vorfeld Regeln für das Verhalten der Teilnehmer („Verhaltenskodex“) diskutiert und ausgehandelt bzw. festgelegt werden sollten. Zudem wird es in Zukunft, technisch bedingt, noch einfacher werden, Webkonferenzen auch über mobile Endgeräte zu verfolgen und sie damit auch in mobile Learning Szenarien zu integrieren.
Daniel Otto, FernUniversität in Hagen, beschrieb in seinem Vortrag „Simulationsspiele, eine Alternative zum konventionellen (Fern-) Lehransatz“ die Verbesserungspotentiale konventioneller Lehrveranstaltungen durch die Integration von Webkonferenzen. Der konventionelle Fernlehransatz der FernUniversität in Hagen besteht dabei im Versand von Studienbriefen, dem Angebot von Präsenzseminaren mit Kontroll- und Reflexionsaufgaben, der Nutzung einer Lernplattform sowie der virtuellen Betreuung durch Tutoren. Neben den Vorteilen, wie freie Zeiteinteilung, gibt es allerdings auch eine Reihe von Nachteilen während der Fernlehre, wie die isolierte Studiensituation und damit dem fehlenden fachlichen und sozialen Austausch. Um den Nachteilen zu begegnen wurde das Modul 24 „Internationale Klimaverhandlungen“ in die Phasen Vorbereitung, Verhandlung und Nachbereitung unterteilt, an der 20-30 Studierende über einen Zeitraum von 4 Monaten virtuell Verhandlungen simulieren. In der Verhandlungsphase treffen sich die Studierenden an sechs Terminen virtuell, wodurch ein hoher Interaktionsgrad inkl. Gruppendynamik erreicht wird, in der die Studierenden interkulturelle Kompetenzen erwerben können. Als Nachteil nennt Herr Otto jedoch die Einschränkung der Studierenden durch festgelegte wöchentliche Termine, den hohen Betreuungsaufwand sowie die Anforderungen an Hardware und Software.
René Wegener, Universität Kassel, gab uns in seinem Vortrag „Webvideo und Massenveranstaltungen“ einen Einblick, wie Studierende während Massenvorlesungen stärker aktiviert und während ihres Lernprozesses unterstützt werden können. Die Vorlesungen werden live gehalten und zusätzlich aufgezeichnet, um auch off-campus verfügbar zu sein. Als eine Möglichkeit zur Aktivierung der Studierenden dienen dabei schriftliche Zwischenfragen im Sinne von kleinen Wissenstests, die selbständig beantwortet werden sollen. Als eine zusätzliche Form der Interaktion zwischen Dozent/innen und Studierenden dient der Universität Kassel ihr selbst entwickeltes „Studierendencockpit“. Dieses enthält einen „Frage-Button“, um anonym Fragen an den/die Dozent/innen zu richten, einen „Panik-Button“ bei Verständnisschwierigkeiten sowie den Button „Peer-Diskussion“ für die gemeinsame Diskussion unter den Studierenden. Zudem erhalten Studierende, die nicht an der Vorlesung teilnehmen konnten die Möglichkeit sich die Aufzeichnung zu einem späteren Zeitpunkt anzusehen und auch noch im Nachhinein Fragen an die Lehrkräfte zu richten. Als Herausforderungen beim Einsatz von Webkonferenzen in der Lehre sieht Herr Wegener die hohe Serverbelastung beim Livestream und mögliche technische Schwierigkeiten, die notwendige Kompetenz der Lernenden zur Selbststeuerung ihrer eigenen Lernprozesse sowie das Handling mit Rückfragen von Seiten der Studierenden. Als Fazit schließt Herr Wegener, dass das Ziel von Webkonferenzen immer die Interaktion zwischen den Akteur/innen sein sollte. Dieses setzt ein durchdachtes und didaktisch aufbereitetes Konzept zur Aktivierung voraus, in dem der Zeitpunkt, die Methode, die Anreize sowie die Formen des Feedbacks im Vorfeld geplant und festgelegt werden müssen.
Kathrin Braungardt, Ruhruniversität Bochum, gab uns Einblicke in den „Einsatz von Webkonferenzen im Kontext einer Präsenzhochschule“ am Beispiel der Ruhr-Universität Bochum. Die Ruhr-Universität Bochum bietet seit 2006 Adobe-Connect Webkonferenzen mit 90 gleichzeitigen Nutzern an. Dabei sind die Einsatzmöglichkeiten breit gefächert, neben Online-Sprechstunden werden Präsenzveranstaltungen live übertragen und erreichen so Studierende aus aller Welt, die zusätzlich miteinander in Kleingruppen kooperieren können. Dabei erfolgt die Kommunikation per Video, Audio oder live-Chat und die Verteilung und Bereitstellung von Dokumenten kann in Word oder Powerpoint erfolgen, wobei auch Bilder und Videos eingebunden werden können. Ziele bei der Verwendung von Webkonferenzen in der Lehre sieht Frau Braungardt in der Verbesserung der Qualität der Lehre, in der Erleichterung des internationalen Austauschs sowie in der Intensivierung von Forschungsprozessen. Jedoch sieht auch sie die hohen Anforderungen an die Nutzer/innen. So erfordern Webkonferenzen eine Reihe didaktischer und kommunikativer Kompetenzen, um mit dem Fehlen sozialer Hinweisreize bzw. paraverbaler cues umzugehen und zudem zeitgleich die Diskussion zu steuern und den Chat zu verfolgen. Auch sie betont die Notwendigkeit aktivierender Elemente. Hier sollte das interaktive Potential der Plattform Adobe-Connect (Chat, Medien, Abstimmungen, Links etc.) didaktisch fundiert ausgeschöpft werden.
Im Workshop kamen wir zu folgenden Erkenntnissen:
Die Einsatzmöglichkeiten von Webkonferenzen in der (Hochschul-)Lehre sind breit gefächert:
- Klassische Vorlesung/ Schulungen
- Expert/innen Interviews
- Praktikumsbetreuung/ Virtuelle Sprechstunde
- Online Tutorien/ Interaktives Seminar/ Online-Seminar
- Planspiel/ Gruppenarbeit
Vielfältige Vorteile/ Potentiale:
- Ort- und zeitunabhängiges Lehren und Lernen
- Einsparung von Anfahrtskosten, Raumkosten, u. U. Druckkosten
- Verbesserte Betreuungs- und Beratungsmöglichkeiten
- Individuelles Lerntempo dank Aufzeichnungen
- Nachholen von verpassten/ausgefallenen Veranstaltungen
- Vereinfachung der Kooperation bei (internationalen) Gruppenarbeiten durch das Angebot von Gruppenräumen
- Angebot innovativer Lehr-Lernmethoden/ Verbesserung der Qualität der Lehre
Hemmschwellen und notwendige Voraussetzungen:
- Didaktische, technische und Medienkompetenzen, Multitasking-Fähigkeit
- Co-Moderator als Unterstützung von parallel verlaufenden Kommunikationsprozessen (Gespräch, Chat etc.)
- Klärung von Honorarfragen für Online-Seminar-Lehrende und Moderatoren
- Erläuterungen zur Handhabung für Studierende und Lehrende bereitstellen
- Aufmerksamkeit muss gesteuert und aufrechterhalten werden
- Verzögerte Reaktionszeiten, non-verbale Hinweisreize fehlen, einfaches Feedback wie Kopfnicken fehlt
- Hoher Vorbereitungsaufwand: Gruppenräume einrichten und reservieren
- Für Studierende und Dozent/innen ein ungewohntes Szenario
Jenseits einer Abbildung klassischer Vorlesungen oder Seminare, sollten Webkonferenzen auch dazu eingesetzt werden, Interaktionen zwischen Lehrenden und Lernenden herzustellen. Ziel sollte immer sein: Interaktion
Aktivierende Elemente mit viel Möglichkeit zum Feedback vor und nach der Webkonferenz einbauen
- „Aktivierende“ Pausen: Studierende nutzen die Pause, um Aussagen zur Lehrveranstaltung zu machen
- „Panik-Button“ als Signal für: ich habe das nicht verstanden, brauche Hilfe
- „Frage-Button“ für anonyme Fragen an den Dozenten
- Adobe-Funktionen“ (langsamer, Applaus, Zustimmen) nutzen
- Durch „Spiele“ animieren – z. B. Fehler in einem Diagramm suchen
- Videos als Teil des Selbstlernmaterials einsetzen
- Asynchrone Kommunikation auch nach der Veranstaltung ermöglichen (Forum)
- Kleingruppenkooperation
- Ausschöpfen aller interaktiven Potentiale der Plattform (Chat, Abstimmungen, Kleingruppen, Medien, Links, Whiteboard)
Unser Fazit
Lernen mit neuen Technologien wie Webkonferenzen ist nicht per se effizienter oder effektiver, es erhöht jedoch die Bandbreite möglicher Lehr-/Lernszenarien. Die neuen Technologien ermöglichen einen Kollaborationsraum, unabhängig von Ort, Zeit und fehlenden Lernpartnern vor Ort. Sie besitzen das Potential, die Qualität der Lehre zu verbessern, wenn sie didaktisch durchdacht in bestehende Curricula integriert werden.
0 Kommentare