Fragennavigation in E-Klausuren

16 Feb, 2021

Es ist inzwischen der zweite Prüfungszeitraum, in dem Prüfungsleistungen mehrheitlich digital zu erbringen sind. Auch in diesem Semester werden wieder viele Klausuren als Aufgabe oder Test in Moodle geschrieben. Passend dazu möchten wir die Diskussion zu den Optionen der Fragenanordnung in einem Moodle-Test aufgreifen.

Kritische Betrachtung der „Vorgegebenen Navigation“ in Moodle Tests

Bei einem Test (gemeint ist die Aktivität „Test“) werden im Vorfeld alle geplanten Aufgaben in Moodle angelegt, da die gesamte Prüfung online in der Lernplattform abläuft. Zahlreiche vorgegebene Fragenformate stehen dafür zur Verfügung. Bei der Testkonfiguration müssen auch Entscheidungen zur Fragenanordnung getroffen werden. So können Fragen bei jedem Testversuch nach dem Zufallsprinzip neu sortiert oder genau in der Reihenfolge angezeigt werden, die bei der Erstellung festgelegt wurde. Ebenso kann die Verteilung von Fragen auf mehrere Seiten genau konfiguriert werden.

In diesem Beitrag wollen wir uns die Fragennavigation näher anschauen. Ein Standard-Test folgt einer freien Navigation (Option „Selbstgewählt“), Studierende können die Bearbeitungsreihenfolge der Klausuraufgaben selbst bestimmen. Das entspricht in der Regel der gewohnten Arbeitsweise in einer Präsenzklausur. Wird jedoch die Option „Vorgegeben“ gewählt, ist das nicht möglich. Die vorgegebene Navigation (auch als sequentielle Navigation bezeichnet) innerhalb eines Moodle Tests verhindert das beliebige Hin- und Her-Wechseln zwischen Klausuraufgaben. Das Zurückkehren zu einer vorherigen Aufgabe ist damit nicht mehr möglich. Wer sich für die vorgegebene Fragennavigation im Test entscheidet, erhofft sich dadurch eine höhere Prüfungssicherheit. Durch die Unterbindung eines freien Wechsels zwischen den Klausuraufgaben soll z.B. ein gemeinsamer Klausurabgleich zwischen den Prüflingen erschwert und damit Täuschungsversuche erschwert werden.

 

Abbildung 1: Fragenanordnung im Test konfigurieren

 

Die Vor- und Nachteile der vorgegebenen Navigation werden regelmäßig in den E-Assessment Netzwerken diskutiert, so auch in der SIG E-Assessment im deutschsprachigen Raum D-A-CH¹. In diesen Netzwerken tauschen sich die E-Learning Zentren zu allen Aspekten elektronischer Prüfungen aus.

Die SIG hält die vorgegebene Navigation aus folgenden Gründen für problematisch. Bei Unwissenheit laufen Studierende Gefahr, eine leere oder unvollständige Klausur abzugeben (z.B., weil sich Studierende zunächst ein Überblick verschaffen möchten). Bei Fragen mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden, die zufällig gemischt werden, ist es Studierenden nicht möglich, erst die leichten Fragen zu beantworten (einfache Punkte). So erhält beispielsweise der Studierende A zu Beginn die vermeintlich leichteren Fragen, die Studierende B zu Beginn die vermeintlich schwereren Fragen. Der Studierenden B könnte zum Ende aber die Zeit fehlen, die leichteren Fragen zu beantworten. Damit wären leicht verdiente Punkte verloren. Zudem hat die vorgegebene Navigation auch Auswirkungen auf Zeitverlängerungen. Eine Zeitverlängerung auf Moodle während der Klausur (z.B. Zeitgutschrift aufgrund technischer Probleme) greift aus technischen Gründen erst beim Seitenwechsel. Wenn nur noch sehr wenig Restzeit verbleibt und betroffene Studierende bei einer komplexeren, noch unfertigen Aufgabe sind, könnten sie diese nicht zu Ende beantworten und würden nicht von der Zeitverlängerung profitieren.

Im letzten Semester hat das E-Learning Zentrum erstmalig in großem Umfang E-Klausuren in Moodle begleitet. Auch aus unseren eigenen Erfahrungen gestaltet sich die vorgegebene Fragereihenfolge als eher nachteilig für Studierende. Eine einfache Fehlbedienung, z.B. ein versehentlich falscher Mausklick vor Aufregung, kann zu einem ungewollten Seitenwechsel führen. Insgesamt bildet die Sequenzierung nicht die Möglichkeiten ab, die man in einer herkömmlichen schriftlichen Klausur hat. Wer verschafft sich hier nicht zunächst einen Gesamtüberblick über alle Aufgaben und sichert sich zunächst die Punkte aus den Fragen, die man gut beherrscht? Wer kontrolliert nicht vor dem Bearbeitungsende noch einmal seine eigenen Antworten, vergewissert sich hinsichtlich der Vollständigkeit, nimmt letzte Korrekturen vor und bringt eine Blitzidee noch schnell ein? E-Klausuren sind auch für Studierende neues Terrain, die vorgegebene Navigation sorgt aus unserer Sicht für zusätzliche Unsicherheiten und Stress.

 

Empfehlung bei Nutzung

Sollte die Nutzung der vorgegebenen Navigation seitens der Prüfenden unabdingbar sein, empfiehlt es sich diese Vorgehensweise unbedingt im Vorfeld mit den Studierenden zu besprechen. Es sollte eine Probeklausur zur Verfügung gestellt werden, mit den gleichen Einstellungen wie für die finale Klausur. So können sich die Studierenden auf die technische Verfahrensweise am Klausurtag vorbereiten und Stress reduzieren. Da die Studierenden in der Klausur durch die eingeschränkte Navigation keine Übersicht über die Klausuraufgaben erhalten, wäre die Ausgabe eines Inhaltsverzeichnisses der Prüfung mit Zeitangaben (zur Einschätzung der Bearbeitungszeit einer Aufgabe) von Vorteil.

 

Alternativen

Eine Alternative zur vorgegebenen Navigation wäre z.B. ein reduzierter Einsatz von Wissensfragen dafür die vermehrte Nutzung von Anwendungsaufgaben. Auch die Nutzung von zufälligen Fragen aus einem größeren Fragenpool sowie Fragen mit divergenten Antwortmöglichkeiten stellen eine weitere Option dar. Der Fragenpool ist umso effektiver, je mehr unterschiedliche Fragen darin enthalten sind. Natürlich ist der Aufbau eines Fragenpools aufwendig. Da E-Klausuren sicher auch künftig einen festen Platz im Prüfungsbetrieb an der Hochschule haben, lohnt sich dieser Aufwand.

 

Fazit

Auch wenn aufgrund der Notwendigkeit, derzeit Klausuren als digitale Distanzprüfungen durchzuführen und die Möglichkeit der Klausuraufsicht hier sehr begrenzt sind, empfehlen wir auf Alternativen zur vorgegebenen Navigation zurückzugreifen.
Übrigens, auch das Gutachten über rechtliche Aspekte von E-Assessments an Hochschulen² spiegelt dieses Meinungsbild wieder und sieht eine sequentielle Klausur-Navigation als Eingriff in die Chancengleichheit an.

 

Von einander lernen

Fr. Prof. Egger de Campo, Professorin für Allgemeine Soziologie, Organisationssoziologie, empirische Sozialforschung (FB 3), zeigt in einer Kurzdarstellung “Smarte Möglichkeit, Verabredungen und „Kooperationen“ in der Remote Open-Book-E-Klausur zu unterbinden” auf welche Weise, mit relativ wenig Aufwand, für eine Frage mit 8 Aussagen 70 Fragevariationen erstellt werden können. Dies ermöglicht einen zügigen Aufbau eines umfassenden Fragenpools mit gleichwertigen Fragen in einer Kategorie sowie die Ausgabe einer individuellen Klausur je Prüfling.

Fr. Stauf, Lehrbeauftragte für Volkswirtschaftslehre und Finanzwissenschaft (FB 3), hat darauf aufbauend eine Datei erstellt, mit deren Hilfe diese Fragevariationen automatisiert erstellt werden können und die anschließend in die Moodle-Fragensammlung importierbar sind. Freundlicherweise hat Sie uns ihre Ausarbeitung zur Verfügung gestellt, so dass wir sie Ihnen auf Anfrage gerne weitergeben oder aber direkt den Kontakt zu Fr. Stauf herstellen können.

¹ Special Interest Group E-Assessment (kurz: SIG E-Assessment) im deutschsprachigen Raum (D-A-CH). Mitglieder sind u.a.: ETH Zürich, FH Oberösterreich, HTW Berlin, TU Berlin, HWR Berlin

² Forgó, N., Graupe, S. & Pfeiffenbring, J. (Juni 2016). Rechtliche Aspekte von E-Assessments an Hochschulen. S. 21-22. https://duepublico2.uni-due.de/servlets/MCRFileNodeServlet/duepublico_derivate_00042793/Gutachten_E-Assessment_NRW.pdf. Zugegriffen: 16. Februar 2021.

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