Die Lernveranstaltung Investition und Finanzierung von Prof. Dr. Birgit Felden ist ein Flipped Classroom: Auf einer Webseite lernen Studierende vor der Präsenzveranstaltung die Grundlagen und vertiefen ihr Wissen im Klassenraum mithilfe von Fallstudien. Die Webseite nutzt Gamification, um das Lernen unterhaltsam und effektiv zu machen. Das folgende Video gibt diesbzgl. einen Einblick:
Wer soll das bezahlen?
Braucht man für sowas nicht Web-Designer, Programmierer und Multimedia-Experten? Wer soll das bezahlen? Dieses Projekt liefert die Antwort: Lehrende können auch mit begrenzten zeitlichen, finanziellen und personellen Mitteln was Tolles auf die Beine stellen. Die technische Umsetzung der Webseite erfolgt mit dem kostenlosen Content-Management-System WordPress. Dieses wird kostengünstig um ein Learning-Management-System und Gamification-Funktionen erweitert. Schließlich wird die Webseite mit Lerninhalten gefüllt.
Worauf kommt’s an?
Die Herausforderung besteht darin, die gesamte Veranstaltung konzeptuell wirksam zu gestalten und die Lerninhalte auf der Webseite interaktiv und multimedial aufzubereiten. Bei der sinnvollen Orchestrierung der einzelnen Elemente einer Veranstaltung werden Kurs-Designer durch ein Framework unterstützt (Disclosure: Der Instructional Design Canvas wurde vom Autor dieses Artikels im Rahmen seiner Abschlussarbeit entwickelt).
Abbildung: Der Online-Bereich der Veranstaltung im Instructional Design Canvas.
Ein Blanko-PDF des vollständigen Instructional Design Canvas (inkl. der Bereiche Offline und Verzahnung) für eigene Zwecke gibt es hier: Instructional Design Canvas (PDF-Download).
Die Inhalte-Elemente (Quizzes, Videos, LearningApps, etc.) werden mithilfe kostenloser Online-Tools erstellt und auf der Webseite eingebunden.
Hat’s was gebracht?
Im Vergleich zu den Vorjahren verbesserten sich der Notenschnitt und die Qualität der Antworten in der Klausur. Dies liegt an der extrinsischen Wirksamkeit der Gamifizierung, sowie der engagierten Dozentin und dem hohen Praxisbezug. Jedoch ist das Lernerlebnis eher negativ. Grund dafür ist vor allem, dass Studierende beim Lernen mit der Webseite die Haptik und Übersicht vermissen, welche Stift, Papier und Skript bieten. Die Veranstaltung sollte deshalb weiter optimiert und um ein komplementäres Begleit-Skript ergänzt werden. Letztlich ist die Entwicklung moderner Lernumgebungen ein iterativer Prozess und es sind mehrere Durchläufe nötig, um die richtige Mischung zu finden.
Und bei mir?
Die Wirkung solcher Konzepte hängt primär vom Lehrenden ab, der durch seine Inhalte und die Art und Weise ihrer Vermittlung das Erleben des Lernenden stark prägt. Flipped Classroom, Gamification, Videos und Apps sind Sprachrohre; Sie warten nur darauf, dass engagierte Dozenten sie nutzen, um von Lernenden (noch) besser gehört zu werden. Eine Inspiration ist dabei (hoffentlich) das eben geschilderte Projekt.
Was machen andere Lehrende mit diesen Mitteln? Gibt es Anregungen und Fragen zu diesem Konzept? Ich freue mich über Ihre Kommentare!
Björn Lefers ist Filmemacher und Web-Konzepter. Als Mitarbeiter des EMF-Instituts unterstützte er Prof. Dr. Birgit Felden bei der Entwicklung und Umsetzung mehrerer digitaler Bildungsprojekte. Er studierte Entrepreneurship an der HWR Berlin und schrieb seine Abschlussarbeit über die Gamifizierung von Blended Learning Veranstaltungen.
Hallo Björn,
ein toller Artikel mit einem sehr interessanten Video.
Wie seid Ihr denn auf WordPress gekommen? Ich hätte gar nicht erwartet, dass sich das Blogwerkzeug auch so gut als “LMS-Ersatz” eignet.
Zählt die Mitarbeit/ der Badgesstand in die Leistungsbewertung für den Kurs ein? Wie regelt Ihr das ggf. dann in Bezug zur gesicherten Anonymität der Studierenden?
Wie wird das Leaderboard angenommen? Viele Kolleg/innen empfehlen im Vergleich immer nur die ersten Plätze zu listen – wie sind Euere Erfahrungen?
Liebe Grüße
Susanne
Hey Susanne,
hab dich hier gerade erst zufällig gelesen – daher die späte Antwort… 😉
1. WordPress haben wir verwendet, weil ich’s vorher schon gekannt und genutzt habe, es (ohne) Plugins kostenlos ist und (mit Plugins) kostengünstig was Cooles auf die Beine gestellt werden kann. Zudem gefällt mir dabei, dass es hinsichtlich Design und Plugins sehr stark individualisierbar ist; Das bezieht sich auch auf die Informationsarchitektur, also wie die Navigation möglichst nutzerfreundlich gestaltet werden kann (sämtliche Lerninhalte sind in 2 Klicks erreichbar). Diesbzgl. finde ich Moodle nicht so ansprechend – ich brauche immer recht viele Klicks um irgendwo hin zu gelangen und vom Look her spricht es mich jetzt nicht so sehr an. Aber das kann man auch individualisieren, oder?! Da kenne ich mich wenig aus – was ein weiterer Grund für WordPress war… 😉
2. Nein, Points & Badges haben/ hatten keinen Einfluss auf die Note.
3. Leaderboards sind schwer zu vergleichen – das hängt immer davon ab, was die aggregierten Points belohnen. Wir können also z. B. viele Punkte für Kommentare vergeben und damit belohnen, wenn sich die Studierenden austauschen.
Allgemein geht’s hier eher um das Thema Learning Analytics. Die Wichtigkeit von Learning Analytics zeigt ein Vergleich mit dem Controlling eines Unternehmens. Der Lernprozess der Studierenden wird in konventionellen Lernveranstaltungen mit nur einer Kennzahl gemessen: Der Klausurnote. Und die erhalten Studierende erst einige Wochen nach Abliefern der Leistung und haben dann keine Möglichkeit mehr sie zu optimieren. Für ein Unternehmen wäre das fatal.
Learning Analytics sind noch ganz am Anfang. Die Frage ist erstmal: Welche Kennzahlen wären für Lernprozesse sinnvoll? Was davon ist online überhaupt technisch erfassbar und somit mess- und optimierbar? Offline ist wiederum ein ganz anderes Thema und (noch) schwieriger zu erfassen (Stichwort: mündliche Beteiligung). Die Points sind z. B. eine Kennzahl – aber auch die sind optimierbar. Theoretisch könnte man Points für Hilfsbereitschaft oder qualitativ hochwertiges Feedback vergeben. Auch technisch ist das möglich, indem z. B. ein enstprechender Kommentar „hoch-gevoted“ wird (10 votes = 100 Points). Leider erlauben das unsere Plugins nicht. Allgemein ist die Balance des Belohnungssystems ein komplexes Thema und ein iterativer Prozess.
Also zusammenfassend bzgl. Leaderboards: Diese sind die Folge von etwas anderem – nämlich der Belohnung durch Points; Weil das Belohnungssystem je nach Kurs/ Dozent anders gestaltet werden kann ist es nicht möglich zu sagen, dass Leaderboards grundsätzlich eher gut oder schlecht sind – es kommt halt immer drauf an.
Nun – nach dem langen Text (sorry dafür!) – zurück zu deiner Frage: Bzgl. Points besteht die Problematik, dass diese eher extrinsisch wirken, Studierende jedoch auch intrinsisch motiviert werden sollten. Beispiel Flugmeilen: Dass ich Points für meine Flüge sammle (extrinsiche Motivation) ist mir relativ egal, wenn die Sitze unbequem, das Personal unfreundlich und das Essen ungenießbar ist (intrinsische Motivation). D. h. man muss die Lernerfahrung in sich attraktiver gestalten und nicht nur Points und Badges drüber stülpen. Das haben wir mit den Comic-Lernvideos und LearningApps versucht, aber das ist in jedem Fall noch ausbaubar. Auch bei uns bestand das Problem, dass die Studierenden stärker extrinsisch als intrinsisch motiviert wurden. Das ist sicher optimierbar! Und dann kann noch viel mehr optimiert werden, aber ich hab auch so schon genug geschrieben und hoffe du hast bis hier hin durchgehalten… 😉
Konnte ich deine Fragen damit beantworten?
Liebe Grüße
Björn