Kriminelle Machenschaften für offene Bildung?

19 Mrz, 2024

Zugegeben etwas Clickbaiting steckt wohl in der Überschrift, aber wir haben das Thema wirklich beim OERCamp 2024 erörtert. Auslöser war ein Zettel in einem der „Gesprächsanbahnungskekse“ : „Wenn Du 1 Mio. Euro für OER-Materialien vergeben könntest: für was?“ Es folgt ein Tagungsbericht, der dem Thema offene Bildungsressourcen die notwendige Aufmerksamkeit widmet.
Glückskekse mit kleinen Gesprächsthemen und Aufgaben zum Thema OER

Wie war das OER Camp 2024?

Trotz der Tatsache, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmenden zum ersten Mal an einem OER-Camp teilnahmen, war die aktive Beteiligung und das Interesse an der Durchführung eigener Sessions zu OER-Themen bemerkenswert. Es gab eine hohe Gesprächs- und Austauschbereitschaft bei allen Beteiligten. Viele haben mit protokolliert, nützliche Links wurden umgehend geteilt, neue Zusammenarbeiten wurden angestoßen.

Das erfahrene und professionelle Organisationsteam, unterstützt von zahlreichen Helfern, sorgte für eine ausgezeichnete Betreuung. Die (vegetarisch/vegane) Verpflegung vom Catering-Team wurde von allen gelobt. Die Berufliche Schule für Medien und Kommunikation in Hamburg als Veranstaltungsort war geprägt von einem starken Interesse an Technik und Medien, wirkte aber auch einladend und gemütlich. Ein paar mehr Steckdosen wären nett gewesen.

Die angebotenen Formate und Themen waren sehr vielseitig. Am ersten Tag wurden in Intensiv-Workshops einige Themen vertiefend behandelt, am zweiten Tag gab es so viele Themenvorschläge, dass zusätzliche Räume gestellt werden mussten.

Auch hier hat das Orga-Team unfassbar schnell reagiert. Es gab am ersten Tag acht verschiedene Internsiv-Workshops, am Tag fanden sich 48 Sessions mit verschiedenen Schwerpunkten.

Ich hatte den Eindruck, Lehrende und Mitarbeitende waren genauso gleichmäßig vertreten wie Teilnehmende aus Schulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrichtungen. Regional überwog –vielleicht auch dem Bahnstreik geschuldet – Hamburg, aber auch andere Städte und Landkreise waren gut vertreten.

Künstliche Intelligenz und Open Educational Resources in der Hochschullehre

Weil wir gerade aus dem Workshop „Künstliche Intelligenz und Open Educational Resources in der Hochschullehre“ kamen, haben wir die Frage nicht nur uns, sondern auch ChatGPT gestellt. Erwartungsgemäß waren die Vorschläge konservativ und für uns nichts Neues dabei.

Unsere scherzhaften Ansätze, Bedrohungen einzusetzen oder Bestechungen für OER zu verteilen, wird von der KI als unethisch abgelehnt. Anders sieht es aus, wenn man die KI um ein fiktives Drehbuch zum Thema bittet. Die Vorschläge sind kreativ, sehr präzise (wer, wieviel, wofür) und vielleicht sogar praktikabel, aber: „In diesem Drehbuch wird die unethische Praxis der Bestechung eingesetzt, um die Verbreitung und Akzeptanz von OER im Bildungsbereich zu beschleunigen. Es handelt sich hierbei natürlich um ein rein fiktives Szenario, das ethische Grenzen überschreitet und in der Realität nicht empfohlen wird.“ (Quelle: ChatGPT).

Daher werden wir wohl doch noch geduldig abwarten, bis OER-Policies ohne Bestechung überall implementiert sind, die Nutzung von OER sich durch gute Erfahrungen statt mit Druck weit verbreitet und Fortbildungen zum Thema bereitwillig von allen besucht werden.

Themen aus einigen Sessions

Bei dem Workshop “Künstliche Intelligenz und Open Educational Resources in der Hochschullehre” lag der Fokus auf der Weiterarbeit an früheren Ergebnissen. Wie kann Künstliche Intelligenz Open Educational Practices unterstützen, welche Vorteile könnten bei der Erstellung, Veröffentlichung sowie beim Suchen, Finden, Überarbeiten, Verändern und Anpassen von freien Lehrmaterialien zum Tragen kommen? Ein interessanter Aspekt war der Vergleich der KI mit menschlichen Fähigkeiten, wobei Eigenschaften wie unendliche Geduld, positive Verstärkung und ihre Nutzung als Resonanzraum hervorgehoben wurden. Wie kann man die Studierenden in die Prozesse einbeziehen, wie löst man Fragen zur Qualitätssicherung und zur Kuratierung von Inhalten? Teilweise blieb es bei theoretischen Abhandlungen, teilweise lassen sich die Ideen weiterentwickeln und in der Praxis einsetzen.

In einer anderen Session lernte ich Markdown als einfaches, benutzerfreundliches Werkzeug für die gemeinsame Erstellung Open Educational Resources (OER) kennenlernen. Die Einfachheit und universelle Kompatibilität ermöglichen es, Inhalte direkt im Web zu erstellen, zu bearbeiten und zu kombinieren, ohne zusätzliche Software oder Registrierungen. Markdown gewährleistet die Zugänglichkeit und Anpassbarkeit von OER über verschiedene Plattformen und Medien hinweg. Es ist auch bemerkenswert nachhaltig; Inhalte, die in Markdown erstellt werden, sind wahrscheinlich auch in 50 Jahren noch lesbar. In der Session wurden neben der technischen Handhabung auch die Grundlagen der Markdown-Syntax, die Gestaltung von Inhalten, die Online-Veröffentlichung und die Vernetzung innerhalb der OER-Community beleuchtet.

Ich lernte “Mein Bildungsraum” kennen, als ein Projekt, dessen technische Infrastruktur darauf abzielt, individuelle Bildungswege zu unterstützen und eine nahtlose digitale Lernreise vom Kindergarten bis ins hohe Alter zu ermöglichen. Es verbindet Bildungsanbieter und administrative Prozesse in einer Netzwerkinfrastruktur, um leichteren und sicheren Zugang zu Lernmöglichkeiten zu bieten und Barrieren im Bildungsweg zu beseitigen.

Bei „HOW TO: OER-Produktionsservices an Institutionen“ konnten wir einen Einblick in das Projekt österreichischer Universitäten zur gemeinsamen Entwicklung einer nationalen Infrastruktur für Open Educational Resources bekommen. Unter anderem ermöglicht das “Certified OER Higher Education Institution” Zertifikat Hochschulen, ihre Aktivitäten im Bereich Open Educational Resources (OER) hervorzuheben und vernetzt so zu einer „Allianz der Willigen“. Dafür müssen sie verschiedene Kriterien erfüllen:

  • Vorhandensein einer OER-Strategie und Angebot einer Weiterbildung zu OER
  • Verfügbarkeit eines OER-Repositoriums
  • Zahl von Mitarbeiter:innen mit fnma-Zertifikat ‘OER practitioner | OER-Praktiker:in

In der Diskussion ging es auch darum, ob die Unterstützung von hochschulinternen Servicestellen lt. Open Policy an zwei Bedingungen geknüpft werden kann. Zum einen muss das gemeinsam erstellte Material studierendenzentriert sein – d.h. an die Verwendung in der Lehre ausgerichtet, zum anderen muss es als OER veröffentlicht werden.

In einem Abschlussworkshops kreierten wir Persona, die im Zusammenhang mit OER stehen oder stehen könnten und analysierten in Prozessen, was dieser Personengruppe im Zusammenhang mit der Förderung von OER helfen könnte. Dier Ergebnisse wurden gesammelt und sollen später noch ausgewertet werden.

Insgesamt zog es sich als roter Faden durch das OER Camp, wie entscheidend OER (Open Educational Resources) und Open Access Policies für die Bildungslandschaft sind. KI-Technologien bieten die Möglichkeit, Lerninhalte noch individueller und dynamischer zu gestalten. Sie können dabei helfen, Bildungsmaterialien zu personalisieren und den Lernprozess durch adaptives Lernen zu unterstützen. Darüber hinaus könnte KI bei der Erstellung, Kuratierung und Übersetzung von OER-Materialien eine entscheidende Rolle spielen, wodurch Bildungsressourcen noch zugänglicher und vielfältiger werden.

Mir wurde einmal mehr die Bedeutung von Policies deutlich, die den freien Zugang zu Bildungsressourcen fördern und Vorteile mit sich bringen, wie die Verbesserung der Chancengleichheit und die Förderung einer globalen Wissensgemeinschaft. Aber bedingt eine OER Policy den Zugang zu (eigenen?) Repositorien? Vielleicht in Berliner Kooperationen? Oder sollte man hier auf Initiativen durch das KNOER Netzwerk hoffen? Oder Policies ohne eigene Archivsysteme andenken?

Ich lade alle Interessierten der HWR Berlin ein, gemeinsam den Bedarf zu eruieren.

Susanne Mey

Print Friendly, PDF & Email

0 Kommentare