In meinem heutigen Blog- Beitrag möchte ich Ihnen über ein interessantes Feldexperiment berichten, welches dieses Wintersemester 2013/14 an der HWR Berlin erstmalig von Prof. Dr. Birkenkrahe in der Lehrveranstaltung Betriebliche Informationssysteme durchgeführt wird.
In diesem Experiment schreiben die Studenten unter Anleitung (Supervision durch Dozent) etappenweise ihre wissenschaftliche Hausarbeit, die neben einer Gruppenleistung als Teilleistung in die Benotung einfließt.
Supervision[2] heißt, dass der Dozent in regelmäßigen Abständen, anfangs wöchentlich, Themengebiete bezüglich wissenschaftlichen Arbeitens erläutert, Aufgaben diesbezüglich erteilt und diese dann von den Studenten bis zur nächsten Woche in Moodle gebloggt werden müssen. Am Anfang jeder Stunde greift der Dozent interessante Blogs auf und erläutert anhand dieser Blogs, was zum Beispiel beim Verfassen einer Einleitung zu beachten ist. Zeitgleich bearbeitet der Dozent ebenfalls die gestellte Aufgabe, gibt somit ein konkretes Beispiel vor und skizziert seine Gedankengänge dabei. Des Weiteren kommentiert der Dozent bei Bedarf die Beiträge der Studierenden. Genauso ist es Aufgabe der Studenten, die Beiträge untereinander zu lesen und zu kommentieren.
Außerdem müssen die Studierenden ihre Hausarbeit zeitgleich bei Google Docs verfassen. Dort hat nur der Dozent Zugriff und kann bei Bedarf eingreifen. Zum Beispiel um auf Rechtschreibung, grammatikalische Fehler oder Zeitverzug hinzuweisen.
Abgerundet wird das Ganze durch Gastbeiträge von erfahrenen Wirtschaftswissenschaftlern, die z.B. Vorträge über Methodik oder “Science Slam” halten.
Dieses Vorgehen geschieht jedoch parallel und ändert nichts an den eigentlichen Lernzielen der Lehrveranstaltung.
Ziel des Experiments ist, die Qualität der wissenschaftlichen Hausarbeiten nachhaltig zu verbessern und den Studenten durchgehend formatives Feedback[1] zu geben um dadurch einen tatsächlichen Lerneffekt zu gewährleisten. Bisher wurde beobachtet, dass eine Vielzahl der Studenten am Ende der Vorlesung ihre Hausarbeit abgaben ohne Feedback oder Verbesserungsvorschläge seitens des Dozenten erhalten zu haben. Die Möglichkeit der Einsicht und Nachbesprechung wird in den meisten Fällen kaum von den Studierenden wahrgenommen.
In einer parallel dazu stattfindenden Lehrveranstaltung Unternehmensmodellierung, die ebenfalls von Herrn Prof. Dr. Birkenkrahe gehalten wird, ist eine Gruppe damit beschäftigt, den Prozess “Prüfungseinsicht” mit Hilfe des Webeditors Signavio in BPMN 2.0 zu modellieren. Dadurch soll u.a. der Wert der Einsicht als Feedback-Prozess für Studierende erhöht werden.
Gleichzeitig wird dieses Feldexperiment im Rahmen meiner Bachelor- Thesis von mir begleitet. Ich untersuche die jeweiligen Elemente der Lernprozesse (Supervision, Blogging, usw.) auf ihre Tauglichkeit und werde am Ende diskutieren, ob diese zum gewünschten Erfolg führen oder nicht.
Ohne meinem Ergebnis vorgreifen zu wollen, finde ich diese Lernprozesse von der Theorie her mehr als überfällig. Auf mein bisheriges Studium zurück blickend, stelle ich genau die vorangegangene Problematik fest. Die wenigen wissenschaftlichen Hausarbeiten, die ich geschrieben habe, wurden am Ende des Semesters abgegeben und die Benotung wurde von mir kommentarlos angenommen. Folglich habe ich selten Feedback erhalten, weder inhaltlich, noch über die Qualität meiner wissenschaftlichen Arbeitsweise. In vielen Lehrveranstaltungen, in denen sich die Note aus kombinierten Prüfungen zusammensetzte, meist aus Hausarbeit und mündlichem Test, war die Verwirrung noch größer. War meine Leistung in der Hausarbeit schlechter oder umgekehrt?! Die Termine für die Klausureinsicht, waren natürlich immer zu ungünstigen Zeiten bzw. man war einfach zu bequem. Ich glaube, dass auch der Gedanke, das bringt doch eh nichts eine große Rolle gespielt hat.
Dieses neue Konzept, sollte es sich bewähren, könnte die Qualität der wissenschaftlichen Arbeiten meiner Meinung nach um ein Vielfaches steigern. Erstens weil ich schon während der Konzeption Anregungen und Verbesserungsvorschläge erhalte und diese somit gleich umsetzen kann. Zweitens sofern vom Dozenten vorgesehen, eine Art Bewertung bei Google Docs über die Kommentarfunktion, für künftige Hausarbeiten lehrreich sein könnte.
Mir ist unklar, in wie weit die Supervision für die Dozenten Mehrarbeit bedeutet. Insofern kann ich natürlich nicht beurteilen, ob diese bei allen Professoren und Dozenten auf Anklang stoßen wird. Dies bleibt abzuwarten.
[1] Nicol, David J, and Debra Macfarlane‐Dick. “Formative assessment and self‐regulated learning: A model and seven principles of good feedback practice.” Studies in higher education 31.2 (2006): 199-218.
[2] Glickman, Carl D.; Gordon, Stephen P.; Ross-Gordon, Jovita M. “SuperVision and Instructional Leadership: A Developmental Approach.” Sixth Edition (2001). Needham Heights: Allyn & Bacon/Longman Publishing.
Bei einer Sitzung letzte Woche hat mir eine Kollegin genau diese Frage nach dem Mehraufwand für den Dozenten gestellt. Die Antwort ist klar: der Aufwand ist ungeheuer viel größer. Die Studierenden sind diese Art, wissenschaftlich zu arbeiten, nicht gewohnt. Ihre Verunsicherung, die der kontinuierlichen Leistung im Wege steht, kann ich nur dadurch niederringen, dass ich regelmäßig und häufig kommentiere. Der gewohnte Ablauf der für mich bereits etablierten Lehrveranstaltung wird nachhaltig „gestört“, denn ich muss ständig auch im Unterricht Werbung für die neue Methode der Supervision machen und positive und negative Beispiele diskutieren, um meine Auffassung von wissenschaftlichem Standard zu kommunizieren. Freilich liegt genau in dieser „Störung“ der Routine gerade für mich auch ein großer Mehrwert: wenn man im Grundstudium Jahr ein, Jahr aus dieselbe Lehrveranstaltung unterrichtet, schläft die eigene Aufmerksamkeit unweigerlich ein. Zwar hilft es, dass ich durch das Gebiet der Wirtschaftsinformatik an einem Thema dran bin, dass sich dauernd massiv verändert, aber an den Grundlagen ändert sich dennoch im Verlauf von, sagen wir 5-7 Jahren, recht wenig. Deshalb sind Änderungen in der Didaktik, also in der Methode des Unterrichtens, für mich immer willkommene Abwechslung und Herausforderung. Hinzu kommt, dass, wie du es in deinem Artikel schön beschrieben hast, hier wirklich ein Notstand, wenn man so möchte, besteht. Die Not wird allerdings erst wirklich fühlbar im Hauptstudium, und vor allem bei der ersten Themenfeld- oder Bachelorarbeit – also einer wissenschaftlichen Arbeit, die man nicht mehr einfach so übers Wochenende zusammenhauen kann wie eine Hütte im Wald…Meine ursprüngliche Motivation, den von dir gezeichneten Weg zu beschreiten, hat wohl in der wachsenden Unzufriedenheit mit Bachelorarbeiten zu tun, die von unglücklichen Studenten geschrieben werden, die zu spät zum ersten Mal wirklich mit der Bedeutung und der Wichtigkeit der wissenschaftlichen Methode konfrontiert werden. Meine Annahme ist: das muss nicht so sein. Jetzt bin ich gespannt, ob das stimmt! Unabhängig vom methodischen Lernerfolg gehe ich außerdem davon aus, dass die Hausarbeiten selbst allein dadurch, dass die Studierenden nicht ein oder zwei Wochen, sondern drei Monate am Thema gesessen haben, deutlich tiefer und besser sein werden. Durch bessere Arbeiten hätte ich dann beim Korrigieren auch mehr Spaß – und was Spaß macht, geht rascher von der Hand und bleibt in angenehmer Erinnerung. Zudem ist der Mehraufwand bei jedem neuen Abenteuer immer viel höher und wird sich im Verlauf der Zeit sicherlich verringern.
Hallo Jerome!
Ich finde mich in deinem Artikel komplett wieder und halte den Mangel an Feedback und die Ungewissheit, wie nun meine gemixte Note zustande kommt auch für ein Problem. Vor allem, um mich in Zukunft weiter zu verbessern.
Dass Studenten in ihrer Bachelorarbeit begleitet werden und kontinuierlich Verbesserungsvorschläge vom Dozenten erhalten, finde ich fantastisch und motivierend zugleich. Und kennen wir nicht das Gefühl, dass man seinen engagierten Dozenten auch nicht enttäuschen will?
Gespannt, zu was für einem Ergebnis du kommen wirst und deine anregende Erläuterung der Supervision, lassen mich auf die erste Supervisionsession erwartungsvoll warten.